Es war schon immer so: Jeden Tag stapft Milchbauer Pádraic (Colin Farrell) mit seiner Zwergeselin Jenny vor der rauen westirischen Kulisse zum abgelegenen Haus seines Kumpels Colm (Brandan Gleeson), um ihn abzuholen und mit ihm im Pub bei mehreren Pints zu versumpern.
Die beiden Männer könnten unterschiedlicher nicht sein: Pádraic ist von schlichtem, sanftem Gemüt, stundenlang kann er über Banalitäten wie Eselskot reden. Mehr braucht er nicht für sein kleines Glück. Colm hingegen ist ein Denker, Philosoph, Musiker und Komponist, der an sich und seiner Existenz zweifelt. Ginge es nach Pádraic, hätte es so weitergehen können auf der fiktiven Insel Inisherin.
Ein Satz jedoch verändert alles im monotonen Eiland-Idyll: „Ich mag dich einfach nicht mehr.“ Damit kündigt Colm abrupt und einseitig die Männerfreundschaft auf. Ohne Streit, ohne weitere Erklärungen. Stattdessen nimmt er eine brutale Verweigerungshaltung nach Herman Melvilles Bartleby ein. Mehr noch: Er droht, sich für jeden Annäherungsversuch von Pádraic einen Finger mit der rostigen Schafschere abzuschneiden.
Das Setting einer abgeschlossenen Insel lässt die Charaktere wie gefangen wirken. Virtuos verkörpert das fantastische Schauspiel-Gespann Colin Farell und Brendan Gleeson wie schon in McDonaghs Regiedebüt „Brügge sehen ... und sterben?“ den steten Versuch der Rückeroberung bzw. die Flucht in die innere Emigration. Die beiden wachsen körperlich förmlich über sich hinaus. Farrell als der Gebückte, Gekränkte, Gedemütigte. Und Gleesons Rücken mutiert zur Mauer des Widerstands. Das gesamte Ensemble spielt groß auf: Barry Keoghan ist als Inseltölpel zu sehen, Kerry Condon als Pádraics Schwester.
„The Banshees of Inisherin“ ist eine große Kinooper über gekränkte Männerseelen und ein Abgesang auf Freundschaft und Freundlichkeit.
Bewertung: *****