Gegen die frühere EU-Vizeparlamentspräsidentin Eva Kaili sind neue Vorwürfe wegen Betrugs mit EU-Haushaltsmitteln laut geworden. Die Europäische Staatsanwaltschaft in Luxemburg beantragte am Donnerstag die Aufhebung der Immunität von Kaili und ihrer griechischen Kollegin Maria Spyraki, die beide Mitglieder im Europaparlament sind. Wie es in einer Erklärung der Staatsanwaltschaft weiter hieß, geht es um den Verdacht des "Betrugs zum Schaden des EU-Haushalts".
Der Verdacht beziehe sich auf die Entlohnung von Parlamentsmitarbeitern. Es bestehe der Verdacht auf Betrug zum Nachteil des EU-Haushalts, teilte die Behörde mit Sitz in Luxemburg am Donnerstag mit. Dabei gehe es um die "Verwaltung der parlamentarischen Vergütung und insbesondere die Vergütung der akkreditierten parlamentarischen Assistenten". Grundlage für den Verdacht ist ein Untersuchungsbericht der EU-Antibetrugsbehörde Olaf.
Lebensgefährte packt aus
Einer der Beschuldigten in der EU-Bestechungsaffäre hat Francesco Giorgi offenbar ein Geständnis abgelegt und die frühere EU-Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili in Schutz genommen. Wie italienische Medien übereinstimmend berichten, soll der Italiener am Wochenende der belgischen Staatsanwaltschaft ausführliche Angaben zu den Korruptionsvorgängen um EU-Parlamentarier in Brüssel gemacht und sich reuig gezeigt haben.
Giorgi fordert Freilassung von Kaili
Giorgi ist der Lebensgefährte der ebenfalls am Freitag festgenommenen Griechin Kaili, er forderte ihre Freilassung. Das Paar hat eine 22 Monate alte gemeinsame Tochter. Auch Kailis Anwälte beharrten darauf, die Politikerin wisse nichts über die Herkunft des Geldes, das weder ihr noch ihrem Partner, sondern "einem Dritten" gehört habe. "Frau Kaili hat ihren Partner gefragt, was das für Gelder seien", sagte ihr Anwalt Michalis Dimitrakopoulos im griechischen Fernsehen. Giorgi habe erwidert, dass das Geld jemand anderem gehöre. "Daraufhin hat Frau Kaili gesagt, sie erlaube nicht, dass Gelder, die jemand anderem gehörten, in der gemeinsamen Wohnung aufbewahrt werden."
Katar und Marokko unter Verdacht
Die Polizei hatte am Freitag 150.000 Euro in Bar in der Brüsseler Wohnung Kailis in Brüssel gefunden, ihr Vater wurde mit einem Koffer mit Bargeld in Höhe von 600.000 Euro ertappt. Beim ehemaligen sozialistischen EU-Abgeordneten Antonio Panzeri stellten die Beamten Bargeld in Höhe von 600.000 Euro sicher. Der 35 Jahre alte Giorgi, rechte Hand des früheren EU-Abgeordneten Panzeri, sagte den Ermittlern, das am Wochenende sichergestellte Bargeld in Höhe von insgesamt 1,5 Millionen Euro sei "nur für ihn und Panzeri" bestimmt gewesen. Das berichtete die Zeitung "La Repubblica" am Donnerstag. Wie es heißt, sollen die Staaten Katar und Marokko versucht haben, EU-Parlamentarier und Mitarbeiter mit Geld und Geschenken gefügig gemacht zu haben, um dadurch politische Vorteile zu erzielen.
Parlamentarier gezielt ausgewählt
Nach Angaben der Ermittler spielt der marokkanische Geheimdienst bei den Vorgängen eine Schlüsselrolle. Panzeri, sein Helfer Giorgi, aber möglicherweise auch der sozialistische EU-Abgeordnete Andrea Cozzolino seien in Kontakt mit Männern des marokkanischen Auslandsnachrichtendienstes Dgde sowie dem marokkanischen Botschafter in Warschau gestanden. Giorgi war Mitarbeiter Cozzolinos. Marokko habe auf illegale Weise versucht, die Position des EU-Parlaments im Hinblick auf die umstrittene Besatzung der Westsahara sowie die Migrationspolitik zu beeinflussen. Der marokkanische Geheimdienst wählte für diese Strategie offenbar gezielt Parlamentarier, Ex-Parlamentarier und Mitarbeiter aus der Fraktion der Sozialisten.
Uneingeschränkter Zugang zum Luftraum
Auch Katar steht im Fokus der belgischen Ermittler. Bei den Kontakten der Beschuldigten insbesondere zu Arbeitsminister Ali bin Samikh Al Marri sei es um Fürsprache und Lobbyarbeit des EU-Parlaments im Hinblick auf die Situation von Arbeitsmigranten vor der Fußball-WM gegangen. EU-Parlamentarier Cozzolino sprach sich in internen E-Mails gegen eine kritische Resolution gegenüber Katar aus. "Das EU-Parlament sollte ein Land nicht ohne Beweise beschuldigen", habe der italienische Abgeordnete geschrieben, zitiert "La Repubblica". Katar soll aber auch interessiert gewesen sein, uneingeschränkten Zugang zum europäischen Luftraum für seine staatliche Fluglinie zu bekommen.
Das bei den Festnahmen am Freitag sichergestellte Bargeld in Höhe von mehr als 1,5 Millionen soll aus Katar stammen. Außerdem seien Zahlungen auf dem Konto der von Panzeri und Giorgi geführten Nichtregierungsorganisation "Fight Impunity" eingegangen. Ursprünglich war der belgische Geheimdienst dem Korruptionsskandal auf die Spur gekommen. Er übergab den Fall im Juli der Staatsanwaltschaft Brüssel, die nun wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Korruption und Geldwäsche ermittelt.