Österreichs Unternehmen erweisen sich in diesen wirtschaftlich außerordentlich turbulenten Zeiten als sehr robust. Vor allem behalten sie ihre Mitarbeiter, weil sie sonst beim nächsten Aufschwung keine neuen bekommen. Die Ökonomen des Wifo und IHS sind deshalb in ihren Konjunkturausblicken inzwischen grundsätzlich etwas optimistischer als noch vor ein paar Monaten: Für 2023 wird immerhin ein kleines Wachstum zwischen 0,3 und 0,4 Prozent erwartet.
Weil aber sowohl das Wirtschaftswachstum heuer mit rund 4,7 Prozent hoch ist, als auch für 2024 ein Wachstumsplus von 1,2 bis zu 1,8 Prozent erwartet wird, ist die Phase dazwischen jedenfalls kein Absturz in eine Rezession, sondern maximal eine zeitlich absehbare Stagnation – eine Wachstumsdelle.
"Wer hätte das gedacht vor einem Dreivierteljahr, als wir alle diese Schocks gesehen haben und den beginnenden Krieg, dass wir jetzt eigentlich relativ gut dastehen", so IHS-Chef Klaus Neusser bei der Präsentation der Winterprognose. "Die Inflation ist zwar exorbitant hoch, aber die anderen Indikatoren für 2022 sind eigentlich recht positiv."
Höhepunkt der Inflation ist überschritten
Die verrückteste Phase bei den Preissteigerungen sehen Wifo-Chef Gabriel Felbermayr und IHS-Interimschef Klaus Neusser als durchgestanden an. Für heuer gehen beide Institute von 8,5 Prozent Teuerung aus, 2023 prognostiziert das IHS 6,7 Prozent, für 2024 etwa 3,5 Prozent.
"Die Lohnabschlüsse werden die Lage deutlich stabilisieren", so Felbermayr. Auch bei den Menschen ohne Arbeitseinkommen sei viel Geld angekommen. Durch die künftig automatische Anpassung der Sozialleistungen an die Inflation und die Abschaffung der kalten Progression – bei der Staat schleichend immer mehr von höheren Löhnen profitiert hat – gibt es Neusser zufolge auch keinen großen Bedarf mehr, noch mehr Steuergeld breitflächig zu verteilen.
Für Felbermayr ist es eine Mischung aus Glück und einer "tatsächlich besseren Wirtschaftspolitik", dass die Wirtschaft im Moment ohne große Schrammen durch die Krise manövriert. Ein wesentlicher Aspekt ist auch der Arbeitsmarkt. Der Fachkräftemangel führt laut Felbermayr im Moment sogar zum "Horten" von Arbeitskräften, was in Zeiten eines viel größeren Arbeitskräfteangebots wohl ganz anders wäre. In der Energiepreiskrise komme Österreichs Wirtschaft "mit einem blauen Auge" davon.
Druck aus Deutschland
Mit Spannung wird jetzt erwartet, was Wirtschaftsminister Martin Kocher – selbst renommierter Ökonom und ehemaliger IHS-Chef – demnächst an weiteren Unterstützungen für die Energiekosten in Unternehmen auf den Tisch legen wird. Die deutsche Regierung bringt Österreich hier durch geplante Subventionen unter Druck. Felbermayr: "Wenn dort der Energiepreisdeckel kommt, muss man für gleiche Wettbewerbsfähigkeit sorgen, in dem Sinne sind die Maßnahmen zu verstehen." Man werde jetzt sehr gut schauen, wie Deutschland seine Pläne konform mit dem EU-Wettbewerbsrecht umsetze. Felbermayr plädiert auch dafür, darüber nachzudenken, wie weitere Unternehmenshilfen damit verknüpft werden könnten, um die grüne Transformation voranzutreiben. "Da müssen wir die Regierung wirklich ermahnen."
Budgetspielraum gibt es laut Wifo-Chef jedenfalls genug, "um Dinge anzuschieben". Österreich werde noch länger sehr niedrige Zinsen für seine tendenziell wieder leicht sinkenden Staatsschulden zahlen. "Dieses Fenster kann man nutzen", adressiert Felbermayr in Richtung Regierung.
Claudia Haase