Als Alexis Nasard im Juli seinen Job im 127 Jahre alten Imperium des Kristallkonzerns Swarovski antrat, machte er Schlagzeilen. Weil er der erste Chef ist, der nicht aus den Reihen der zuletzt in Führungsfragen heftig zerkrachten Großfamilie stammt. Und ganz anders als die mehr oder weniger prominenten Mitglieder des Tiroler Clans ist sich Nasard nicht zu scheu fürs Rampenlicht und präsentierte am Mittwoch in den Kristallwelten auf der Wiener Kärntner Straße, wie die Marke wieder strahlen soll.
Sein Ziel ist glasklar: Es soll nicht mehr einfach nur Schmuck aus Kristallglas made in Wattens das Herz der Kunden erfreuen. Nasard will die Marke gewinnträchtig mit dem Image teurer Luxusprodukte aufladen. "Ich spiele in einem sehr guten Markt", sagt der 57-jährige Manager, der jahrzehntelang Führungspositionen in der internationalen Markenartikelindustrie, darunter Procter & Gamble, innehatte. "Wir brauchen keine Story kreieren, wir haben alles, was eine Luxusmarke braucht", so Nasard. Speziell bespielen will der 57-Jährige offenbar vor allem Metropolen. "20 Städte repräsentieren 25 Prozent des globalen Marktes", dort wolle man Teil der Unterhaltung sein – wie vor einer Woche mit einem von Swarovski illuminierten Weihnachtsbaum in Mailand.
Hinter dem Glamour dürfte es ein knallharter Saniererjob sein, um Swarovski wieder ins Licht der Gewinnzone zu führen. Schon 2023 soll der Turnaround gelingen. Ursprünglich hatte Nasard dafür zwei Jahre veranschlagt. Innovation soll durch mehr Automatisierung und Digitalisierung flankiert werden. Scharfe Kostenkontrolle, klarere Rahmen für den Verkauf mit einem neuen Bonussystem sollen die Umsätze deutlich steigern. Nasard: "Wir führen kein Museum, sondern ein Unternehmen."
Rückzug aus 5000 Geschäften
Aus 5000 Geschäften wurde der Rückzug angetreten – es gibt eigene Ladenlokale, Franchise-Modelle und andere Partner. 6700 sind geblieben, davon gehören 1300 direkt zum Konzern. Auf der Preisseite hat Swarovski inzwischen kräftig an der Schraube gedreht. Im Schnitt werden die Kristallkreationen 18 Prozent teurer angeboten.
Wenn es um konkrete Zahlen geht, ist Swarovski allerdings verschlossen wie eine Auster. 1,9 Milliarden Euro hatte der Konzern zuletzt umgesetzt. 2019 waren es noch 2,7 Milliarden gewesen. Die Pandemie hatte das Geschäft regelrecht abgeschliffen und die verkrusteten Strukturen bloß gelegt. 1000 Jobs gingen im Stammwerk verloren. Bei den aktuell 3000 soll es dort auch bleiben, eine Garantie gebe es freilich nicht. Eine kolportierte Investition von 30 Millionen Euro will Nasard nicht bestätigen. Weltweit beschäftigt Swarovski 18.500 Mitarbeiter.
In Summe mehr Umsatz, aber Einbruch in China
Nasard zufolge wächst der Umsatz heuer wieder um zehn Prozent. "Das ist das stärkste Wachstum seit 2015", freut er sich. 15 Prozent Plus sollen es 2023 werden. Erst vor wenigen Tagen war eine zehnjährige Kooperation mit dem Luxusbrillenhersteller Essilor vereinbart worden. Weitere Abkommen mit anderen Markenartiklern sollen folgen.
Nasard räumt allerdings massive Geschäftsrückgänge auf dem chinesischen Markt ein. Um fast ein Drittel, konkret 28 Prozent, ist der Umsatz dort weggebrochen, sodass jetzt statt China der US-Markt der größte Einzelmarkt des von der Schweiz aus geführten Konzerns ist. In China steht Nasard deshalb auf der Bremse. "Wir wollen das Risiko minimieren", sagt er. Der wichtigste Wachstumsfokus liegt auf den USA, wo mittelfristig eine Verdoppelung des Geschäftes möglich sei.
Russland als Markt?
Ob Russland von der Swarovski-Landkarte verschwindet, ist noch offen. Nasard: "Wir denken permanent nach, was wir tun." Eine Entscheidung dürfte bereits in den nächsten Wochen fallen. Der Markt sei mit zweieinhalb bis drei Prozent Anteil am Gesamtumsatz klein "und jetzt leider überhaupt nicht mehr wichtig", so Nasard. "Es ist nicht entscheidend, ob wir es aufgeben oder halten."
Nasard führt das Unternehmen jetzt in einem Team von neun Topmanagern, von denen keines mehr ein Familienmitglied ist, und nur der Finanzchef von außen geholt wurde. Im Schweizer Verwaltungsrat sind fünf Mitglieder familienunabhängig, drei sind Swarovski-Erben – von denen es insgesamt übrigens 200 gibt, die jetzt wieder Dividenden erwarten. Nasard hat dazu eine einfache, wie einleuchtende Formel. Von einem wieder glänzenden Konzern hätten alle etwas.
Claudia Haase