Ein Jahr nach Gründung der neuen Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) hat deren Chef Omar Haijawi-Pirchner einen Einblick in die aktuelle Gefährdungslage gewährt. In einem Hintergrundgespräch ortet der Niederösterreicher eine "starke Dynamik".
1. Gefährder. Das größte Kopfzerbrechen bereiten dem Geheimdienst die Gefährder "im hohen zweistelligen Bereich". Diese Leute seien "zu einem Anschlag oder einer Gewalttat bereit", dazu zählen Islamisten wie Rechtsextreme. Die Personen stünden unter Beobachtung, einige hätten einen Migrationshintergrund. Aktuell gebe es "keine konkreten Hinweise" auf einen Terroranschlag. 28 Gefährder haben im Laufe des Jahres das Gefängnis verlassen, hier gebe es "Fallkonferenzen" mit der Justiz.
2. Kinder-Islamisten. Ein neues Phänomen sind Jugendliche unter 15, die sich im Internet radikalisieren, oft aus zerrüttetem Elternhaus stammen und eine "besondere Herausforderung" darstellen. Zehn Jugendliche habe man am Radar.
3. Staatsverweigerer. Immer größte Kreise ziehen Leute, die staatsfeindliche Aktionen setzen. Man habe es mit einer "starken Szene" zu tun. Dazu zählen Reichsbürger, Schwurbler und andere, die alles tun, um den "Staat zu delegitimieren". In Deutschland wurde am Mittwoch eine Zelle ausgehoben, eine Person wurde in Österreich gefasst.
4. Weihnachtsmärkte. Unter besonderem Schutz stehen in ganz Europa die Weihnachtsmärkte als potenzielle Anschlagsziele. Es gebe "keine Hinweise", dass einer der Märkte im Visier stehe.
5. Sabotage. Seit dem Anschlag auf die Unterseepipeline in der Ostsee wurden die Sicherheitsvorkehrungen bei der kritischen Infrastruktur, also Pipelines, Kraft- und Umspannwerke, erhöht. Der mysteriöse Unfall im Hochsommer in der Raffinerie in Schwechat, der für ein paar Monate die Diesel- und Benzinproduktion in Österreich lahmgelegt hatte, sei nicht auf Sabotage zurückzuführen gewesen.
6. Wirtschaftsspionage. Besonders die Chinesen versuchen kleine Unternehmen, die sich in einem Nischenbereich zu Weltmarktführern (hidden champions) entwickeln werden, systematisch auszuspionieren. Die Russen haben es in Österreich auf die Hersteller von Halbleitern, die für die Waffenproduktion unerlässlich sind, abgesehen. Die DNS versuche die Betriebe zu sensibilisieren.
7. Klimaaktivisten. Die DNS ortet eine "steigende Radikalisierung" bei den Klimaaktivisten, es gebe noch keine Indizien, dass sich die Gruppe, wie das in Deutschland befürchtet wird, zu einer neuen RAF weiterentwickeln könnte. "Sie bereiten uns derzeit keine Sorgen, es ist aber nicht ausgeschlossen, dass es zu Angriffen auf die kritische Infrastruktur kommen könnte."
8. Russland. Moskau unterhält in Wien eine der größten Spionagezentralen Europas. Jeder vierte russische Spion, der in Europa im Einsatz ist, residiert in Wien. Die Russen seien im Besitz modernster technischen Möglichkeiten, die es den Österreichern erschweren, Aufklärung zu betreiben. Nicht nur die Russen, auch die Chinesen und die Iraner hätten ihre Spionage-Aktivitäten verstärkt.
9. Waffenhandel. Viele Waffen, die kriminelle Vereinigungen in Österreich und in Europa verwenden, stammen aus den Balkankriegen. Das DNS befürchtet, sobald der Krieg in der Ukraine beendet ist, werden schwere Waffen in die Hände der Banden gelangen.
10. Polizeistation. Um Dissidenten zur Heimreise zu nötigen, unterhält China weltweit geheime Polizeistation, auch eine in Wien. Laut DNS stehe diese unter Beobachtung.