Zumindest zweimal geht’s noch: Morgen Abend und an einem Samstag im November 2023 breitet Thomas Gottschalk seine Arme aus. "Wetten, dass..?" funktioniert heute nur noch als jährliches Event, der Samstagabend-Dinosaurier war bis zur Absetzung im Dezember 2014 stetig geschrumpft. Von bis zu 24 Millionen Sehern auf unter zehn Millionen (im ORF auf rund 500.000 Seher). Mit Markus Lanz als Gastgeber (2012–2014) hatte die Show mehr Buchhalter-Atmosphäre als Glamour, aber auch schon unter Gottschalk waren die Einschaltquoten rückläufig.

Beim Comeback vor genau einem Jahr reichte man zwar nicht an die Bestwerte der 80er-Jahre heran. Aber dass man im ORF 1,2 Millionen und im ZDF knapp 14 Millionen Zuschauer anlocken konnte, lag wohl am Bedürfnis nach scheinbar besseren Zeiten, nach dem Gemeinschaftserlebnis von früher, wo man schon bei Erklingen der Eurovisionsfanfare wusste, was einen erwartet. Ein Format, das klare Abläufe hat: What you see is what you get. Mit Baggern, Buntstiften, Plattentellern, Vierbeinern. Kein Star musste sich jemals vor unbequemen Fragen fürchten; die erste Liga von Hollywood rauscht seit jeher ohnehin noch während der Sendung zum Flughafen ab.

Unfall bei Saltosprung

Samuel Kochs Unfall beim Saltosprung über ein fahrendes Auto zerstörte 2010 freilich den Nimbus, dass am vertrauten Ort der Samstagabendshow alle sicher sind und nichts zu fürchten haben. Rund 14 Millionen Seher im deutschsprachigen Raum haben nur noch König Fußball oder ein "Tatort"-Fall aus Münster. Sonst kann niemand so viele Menschen für die gleiche Sendung vor den Bildschirmen versammeln.

"Gefühl, das Richtige zu tun"

Diese Kindheitserinnerung von Autor Florian Illies können wohl viele teilen, wenn die Rede auf "Wetten, dass..?" kommt: "Niemals wieder hatte man in späteren Jahren solch ein sicheres Gefühl, zu einem bestimmten Zeitpunkt genau das Richtige zu tun." Es war die goldene Zeit der Samstagabend-Unterhaltung, als die Familien noch gemeinsam vor dem Fernseher zusammenkamen. Die Medienvielfalt blies das Lagerfeuer aus. "Wetten, dass..?" gehört quasi noch zum Röhren-TV. Sieht man sich die Gästeliste der morgigen Show an, scheint das Rad der Zeit stehen geblieben: Alle waren schon da, nicht nur einmal, ob Herbert Grönemeyer oder Veronika Ferres.

Das Gefühl eines gemeinsamen Ereignisses

Die heutige Vielfalt mit Social Media und Streaming, die ständig Entscheidungen verlangt und das Sich-Verlieren in Einzelkanälen mit sich bringt, kann uns als Konsumenten überfordern. Mit "Wetten, dass..?" kommt noch einmal das Gefühl eines gemeinsamen Ereignisses zurück; die äußeren Umstände befeuern die Sehnsucht nach Nostalgie und Lagerfeuer-Romantik. Das spricht für den Erfolg des Revivals, gerade, weil sich an der Sendung nichts geändert hat. Wir erleben eine Hauptabendshow, die zeigt, wie es einmal war. Mit einem Sonnenkönig der Unterhaltung, der uns für dreieinhalb Stunden nichts anderes als eine unbeschwerte Zeit bescheren will. Eine Bagger-Wette gibt es übrigens auch diesmal wieder.