Weißrussland ist nach Einschätzung der im Exil lebenden Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja "de facto unter Militärbesatzung" Russlands. Der weißrussische Staatschef Alexander Lukaschenko müsse allen Anweisungen aus Moskau "zustimmen, denn er weiß, dass er ohne die Unterstützung (des russischen Präsidenten Wladimir) Putin nicht politisch überleben wird", sagte Tichanowskaja am Montag nach einem Treffen mit den EU-Außenministern in Brüssel der Nachrichtenagentur AFP.
Tichanowskaja rief die EU und die internationale Gemeinschaft auf, ihr Land über den Ukraine-Krieg nicht zu vergessen: "Die Lage in Weißrussland hat sich verschlechtert", betonte sie. "Die Zahl der politischen Gefangenen steigt, die Menschen werden willkürlich festgehalten und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt." Die Weltgemeinschaft dürfe "keine Beschwichtigungspolitik gegenüber der Diktatur betreiben und nicht vergessen, was das Regime getan hat und weiter tut".
Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hatte nach dem Treffen mit Tichanowskaja gesagt, die mutigen Menschen in dem Land seien "in Geiselhaft für einen Krieg, den die Menschen in Weißrussland eben nicht führen wollen, sondern sie streiten genauso wie die Menschen in der Ukraine für Freiheit und für Demokratie". Alleine im vergangenen Monat seien rund 300 Menschen verhaftet oder verschleppt worden, und viele würden unter dem Vorwurf des "Terrorismus" für zehn bis 15 Jahre ins Gefängnis gesteckt.
Tichanowskaja war im Sommer 2020 bei der von Betrugsvorwürfen überschatteten Präsidentschaftswahl in Weißrussland gegen Lukaschenko angetreten. Anschließende Proteste hatte der Staatschef gewaltsam niederschlagen lassen. Tausende Menschen wurden festgenommen oder flohen ins Ausland, darunter auch Tichanowskaja.