Ein Zwist erschüttert die Schachwelt wie nie zuvor. Selbst Menschen ohne Nähe zum Schach bilden sich eine Meinung und äußern sich. Dabei möchte Hans Niemann doch nur Schach spielen. Und das kann er gut. Er ist 19 Jahre alt und hat vor drei Wochen beim prestigeträchtigen Sinquefieldcup in St. Louis mit den schwarzen Steinen den Weltmeister Magnus Carlsen besiegt – der davor 53 Partien in Folge nicht verloren hat.
Carlsen stieg vor der nächsten Runde nach einen kryptischen Tweet aus dem Turnier aus – das tat er noch nie – und seither gibt es Betrugsvorwürfe gegen den US-Amerikaner.
Der kanadische Großmeister Eric Hansen glaubt zu wissen, wie Niemann betrogen hat: Vibrierende Analkugeln und entsprechende Signale sollen Züge angezeigt haben. Wohl Schwachsinn.
Dass Carlsen zuletzt gegen Niemann nach nur einem Zug aufgegeben hat, beendet die Spekulationen nicht.
Dass Niemann selbst zugibt, als Kind und Jugendlicher bei Onlineschach betrogen zu haben, ist nicht zu seinem Besten.
Carlsen sagt nichts Konkretes. Markus Ragger, Österreichs bester Schachspieler, hat erstmals bei einer Runde der Deutschen Bundesliga Gespräche über Niemann als Betrüger wahrgenommen. Basis der Vorwürfe: Zu beeindruckend war der Aufstieg des Lockenkopfs, der – da gibt es im Gegensatz zu den Schummelvorwürfen keinen Zweifel – mehr als nur von sich selbst überzeugt ist. In zwei Jahren hat Niemann seine Elozahl von 2450 auf 2700 erhöht.
Rekord? Nein. Im fortgeschrittenen Alter – sprich, nicht als Kind oder Jugendlicher, sondern als junger Erwachsener – aber bemerkenswert.
Carlsen selbst ist wohl überzeugt, dass der Amerikaner betrügt. Niemann selbst sieht durch Carlsens Verhalten „meinen absoluten Helden, wie er versucht meinen Ruf und meine Karriere zu zerstören“. Das sehen viele so: In der Schachszene sind Team Carlsen und Team Niemann ähnlich groß.
Am Ende der Geschichte wird sich einer der beiden Protagonisten in den Hintern beißen.