Das kommt nicht häufig vor. Aber ausnahmsweise sind sich der Grünen-Politiker Robert Habeck und CSU-Chef Markus Söder einmal einig in der Ablehnung eines Vorschlags. Wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. „Das geht nicht so einfach. Das erfordert einen neuen Genehmigungsprozess“, lehnte der deutsche Wirtschaftsminister Habeck in Brüssel eine Forderung des slowakischen Ressortkollegen Richard Sulik ab, die deutschen Atommeiler über Jahresende hinaus am Netz zu halten.

Bayern will beim Rasen bleiben

Bayerns Ministerpräsident Söder hatte zuvor erklärt, dass ein Tempolimit für die CDU „keine“ Option sei. Er halte wenig davon, hier zwei Themen zu verknüpfen, die nichts miteinander zu tun haben, ergänzte Söder. CDU-Fraktionsvize Jens Spahn hatte exakt das gemacht. Spahn hatte angeregt, auf Deutschlands Autobahnen eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h einzuführen. Die CDU würde dem zustimmen, wenn die Grünen im Gegenzug nicht länger darauf beharrten, die deutschen Atommeiler – wie verabredet – am Silvesterabend 2022 abzuschalten. Spahn hatte den Deal als „Kuhhandel“ bezeichnet und eine Sommerdebatte ausgelöst – in der Union und in der Ampel-Koalition.



Russland drosselt seine Gaslieferungen nach Deutschland, die EU hat ein Energiesparprogramm beschlossen – und kaum ein Land in Europa verfeuert so viel Erdgas zur Stromgewinnung: Knapp ein Drittel des deutschen Gasverbrauchs fließt in die Erzeugung von Elektrizität. „Wir sollten jede Kapazität nutzen“, warb der FDP-Parteichef und Finanzminister Christian Lindner für eine längere Laufzeit der Atommeiler und erntete Widerspruch: „Ich sehe nicht, dass Atomkraft die Antwort ist“, entgegnete Außenministerin Annalena Baerbock. Etliche Grüne sehen das inzwischen anders. Der Konflikt verläuft zwischen Älteren und Jungen. Vor allem die alte Garde, die mit dem Kampf gegen Atom die Grünen groß machten, wollen am Ausstieg festhalten. Jüngere sehen es pragmatisch.

Freiheit - bei der Höchstgeschwindigkeit?

Es geht um deutsche Grundsatzfragen: Autobahn und Atomstrom. Zwar ist auf weiten Teilen der Fernstraßen ohnehin nur Tempo 130 erlaubt. Aber nirgendwo verkörpert sich der deutsche Drang nach Freiheit mehr als in der Illusion der Höchstgeschwindigkeit. Im Ausstieg aus der Atomkraft wiederum spiegelt sich der tiefe deutsche Wunsch nach gesinnungsethischer Reinheit wider. Tempo und Atom also?

Robert Habeck fährt Zug, propagiert kurzes Duschen als Energiesparmaßnahme. Hält aber wenig von Atomkraft. Auch nicht als Brückentechnologie. Die SPD sieht das ähnlich, hält sich jedoch von der Debatte fern. Bundeskanzler Olaf Scholz versprach nur großzügige Energiehilfen – mehr ein Solidaritätsversprechen als ein Hinweis zur Fortbewegung.

Stresstest

Erst werden Deutschlands Atommeiler erneut Stresstests unterzogen. Dann wird über Weiterbetrieb entschieden. Von Stresstests auf Autobahnen ist nichts bekannt: So debattiert Deutschland über Undenkbares. Beides zusammen wird es nicht geben. Das Tempolimit kommt nicht. Nicht einmal in Zeiten von hohen Spritpreise. Eine längere Laufzeit der letzten drei deutschen AKW scheint hingegen möglich.