Witzchen über die türkise Farbe der Starmania-Bühne, die zig Kanzler seit der Ibiza-Affäre, Gags über die Inseratenaffäre und viele politische Mahnungen über Pressefreiheit und die Unabhängigkeit des ORF: Dazwischen ehrte das Branchenmagazin "Journalist:in" am Dienstagabend am Küniglberg angeblich 117 Journalistinnen und Journalisten. Coronabedingt in einer Doppelausgabe für die Jahre 2020 und 2021 und das Who-is-Who kam, um sich und die Branche zu feiern.
ZiB2-Anchor Armin Wolf, 2020 zum dritten Mal als "Journalist des Jahres" ausgezeichnet, formulierte angesichts des neuen ORF-Stiftungsrates, der sich am Donnerstag erstmals trifft, zwei dringende Wünsche. "Vielleicht könnten Sie es einmal ohne Gründung dieser Parteifreundeskreise probieren", sagte der ORF-Journalist. "So wie jeder andere Aufsichtsrat in diesem Land." In keinem der mehr als 1100 Aufsichtsräte Österreichs gäbe es einen Parteifreundeskreis. "Der ORF gehört nicht dem Staat, der ORF gehört nicht den Parteien. Es gibt überhaupt keinen Grund für Parteifreundeskreise", betonte Wolf. In keinem Gesetz sei das fest geschrieben. Im Gegenteil: Es gebe seit 1974 ein Verfassungsgesetz Rundfunk über die Unabhängigkeit des Rundfunks, dem diese Freundeskreise nach seinem Befund "offen widersprechen".
Zweitens wünschte sich Wolf, dass "der Verfassungsgerichtshof in nächster Zeit Gelegenheit hat, sich das ORF-Gesetz anzuschauen". Denn: "Es kann einfach nicht sein, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Moldawien staatsferner organisiert ist als in Österreich."
Für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wurden der langjährige Kleine-Zeitung-Chefredakteur Erwin Zankel und der frühere "Standard"-Chefredakteur Gerfried Sperl. Die Laudatio auf die beiden gebürtigen Obersteirer hielten in einer Doppelconférence der Kleine-Zeitung-Chefredakteur Hubert Patterer und der frühere Kulturchef der Kleinen Zeitung, Frido Hütter. Und sie fanden viele Gemeinsamkeiten. Wie die Essenz, die die Ausgezeichneten eine: "Leidenschaft heißt Zorn und Liebe, beides müsse man mitbringen. Leidenschaft für die Idee Zeitung, für das Streiten und Debattieren, für die res publica, die öffentliche Sache", sagt Patterer. Wie sehr Zankel ihn prägte, schwingt in dieser Laudatio mit: "Unerreicht: seine Parteitagreporte als Gegenstück zu den Live-Tickern der Gegenwart", sagt Patterer.
Nachsatz: "Die gehören in jedes Journalistenseminar." Die beiden Ausgezeichneten verbindet eine gemeinsame Geschichte. Und: "Sie waren beide schon in frühen Jahren politisch verhaltensauffällig", unterstrich Patterer und erzählt eine Anekdote über Lektionen für den Altnazi-Lehrer, die die beiden ihnen an Hitlers Geburtstag erteilten. Das Finale ihrer Laudatio enthielt ein Bonmot von Paul Lendvai: "Die Stufenleiter des Journalismus in Österreich: Bis 50 sei man als Journalist im Land wenig wert, ein Skriberl. Ab 60 ist man dann nicht mehr Journalist, sondern ist plötzlich Publizist, ab 70 eine Legende und ab 80 "lebende Legende". "Wir ehren die lebenden Legenden Erwin Zankel und Gerfried Sperl für ihr übergroßes Lebens- und Schaffenswerk und verneigen uns."
Erwin Zankel, der mit seiner Familie auf den Küniglberg reiste, bedankte sich bei der Jury und beim Publikum – auch für die Geduld. "Mein Lebenswerk ist auch eine Liebeserklärung an diese Redaktion", sagte der studierte Jurist, der 41 Jahre lang im Dienste der Kleinen Zeitung und ihrer Leserinnen und Leser stand. Und der zuletzt bei einer TV-Diskussion mit Alexander Van der Bellen im ORF-Zentrum war. Damals war dieser noch nicht Bundespräsident.
Gerfried Sperl indes legte streitlustig wie eh und je ein Manifest in fünf Punkten vor. Denn: "Mich zu bedanken, ist selbstverständlich. Dankesworte waren nie das meine."
Als Medienmanager 2020 gekürt: Markus Mair, Vorstandsvorsitzender der Styria Media Group. Er habe das Unternehmen in bald einem Jahrzehnt in Richtung Innovation und Zukunft geführt und dabei strategisches Geschick, Umsicht und Fingerspitzengefühl bewiesen, würdigte ihn Thomas Kralinger, Geschäftsführer des "Kurier"-Medienhauses. Der Quereinsteiger sei ein "Schutzschild vor seinen Redaktionen". Er werde von seinem Umfeld als "besonnener und kommunikativer Mensch" sowie als ein konsequenter Netzwerker wahrgenommen. Es sei ihm lieber, "hinter den Kulissen eine gute Entscheidung treffen, als in der Öffentlichkeit einen Sager zu produzieren."
"Wir sind ein extrem buntes, kreatives und diverses Medienunternehmen, eigentlich fast 50 Medienunternehmen. Ich habe große Freude an diesem Job", betonte der Ausgezeichnete in seiner kurzen Rede. Er hätte, so der Vorstandsvorsitzende, nie vor, der "klassische Medienmann" zu werden.
Sehr wohl anwesend und ausgezeichnet wurden Carina Kerschbaumer und Uwe Sommersguter – beide Mitglied der Chefredaktion der Kleinen Zeitung – als Lokaljournalisten für das Jahr 2020. Ute Baumhackl landete auf Platz 2 im Rennen für die besten Kulturjournalistinnen und Kulturjournalisten. Und die Kärntner Antenne-Moderatorin Corinna Kuttnig darf sich über den Preis als beste Lokaljournalistin 2021 freuen.
Als Medienmanager des Jahres 2021 wurden Rainer Nowak und Herwig Langanger von der "Presse" ausgezeichnet. Sie waren nicht anwesend.
"Falter"-Chefredakteur Florian Klenk, erinnerte sich in seiner Dankesrede an die Veröffentlichung des Ibiza-Videos zurück. "Drei Jahre später wissen wir, dass diese von Heinz-Christian Strache erträumte Medienkorruption von der ÖVP perfektioniert wurde." Inseratenkorruption sei systemisch und noch nicht zu Ende, mahnte der "Journalist des Jahres" 2021. Er wünschte sich, "dass das endlich aufhört in diesem Land". In ihrer Laudatio ehrte die SZ-Korrespondentin Cathrin Kahlweit die beiden Journalisten als "Public Intellectuals" in diesem Land. Es sei die Tatsache, dass sie beiden dem Land mehr bieten. Sie seien "Aufdecker, Frager, Moralisten, Spezialisten. Sie machen beide Kabarett, der eine rettet Bauernhöfe und der andere das Image des ORF", erklärte Kahlweit.