Wer die drei Grundkoordinaten unseres irdischen Daseins (die Liebe, Gott und das Chaos) im Bandnamen trägt, traut sich was. Love God Chaos, die wohl wohlüberlegteste Rock-Band des Landes, scheut seit ihrer Gründung im Jahr 2014 nicht vor der großen Geste zurück.
Was die vierköpfige Prog-Partie um Frontmann Marcus Heider in den Äther schnitzt, sucht textlich stets das Kosmische, musikalisch das Verrucht-Abstrakte. Wie auf den drei Vorgänger-Alben tritt auch diesmal John Krempl auf, das Alter Ego der Band. Sein seelischer Zustand hat sich seit seiner letzten Walpurgisnacht allerdings verändert.
Zwar entführt diese sympathische wie auch gruselige Figur einmal mehr in eine musikalische Welt irgendwo zwischen All und Alltag, Niedergang und Fortschrittsglauben. In üppigen Metaphern und schemenhafter Sprache lässt Krempl Planetensysteme federleicht umherschwirren, beschwört den „Hans im Mond“ und „Untergehmann“ herauf. Vor allem aber wallt auf dem Album „Wir leuchten im Dunkeln“ die Lebenslust und Hoffnung auf. Krempl lebt zwar in der Gruft, greift von dort aber nach der Sonne.
Ja, es blüht in der Finsternis. Auf neun Songs beweist Love God Chaos eindrucksvoll, dass ein episches Rock-Konzept-Album mit Anleihen aus der Klassik nicht per se in der Umlaufbahn von schmalziger Beliebigkeit münden muss. Gemeinsam mit dem tschechischen Filmorchester wagen die Grazer die Annäherung an eine Rock-Oper, schlagen als Band gefinkelte Progrock/Indie-Pop-Finten, vermeiden aber jeden unnötigen Lärm. Der Sternenkreuzer entführt in die Unendlichkeit und kehrt wieder heim, ohne zu erlöschen. Ein schöner Gedanke. JM