Aus dem Marmorsaal im Hotel Imperial am Wiener Ring wurde das Caffè Greco – Ingeborg Bachmanns Lieblingskaffeehaus in Rom. Hektisch wuseln Kamera-, Licht- und Tonleute unter Lustern herum. Hier entsteht die internationale Koproduktion "Bachmann und Frisch" mit dem üppigen Budget von mehr als acht Millionen Euro. Vicky Krieps verkörpert die Literatin, die an der Beziehung zum Autor Max Frisch (Ronald Zehrfeld) zerbrochen ist. Der Kinostart ist für 2023 geplant. In der Drehpause gibt uns Regisseurin Margarethe von Trotta ein Interview.
Sie konzentrieren sich in "Bachmann und Frisch" auf die vier Jahre ihrer Beziehung. Wofür stehen diese für Sie?
MARGARETHE VON TROTTA: Ich hasse Filme, die von der Wiege bis zur Bahre gehen. Für Ingeborg Bachmann waren es die vier prägenden Jahre ihres Lebens, ihre Mitte. Als sie Max Frisch kennenlernte, war sie 32, sie starb mit 47. Es war das erste Mal, dass sie glaubte, bei einem Mann auch Schutz zu finden. Er war Schweizer und strahlte aufgrund seiner Statur Stabilität und Erdhaftung aus. Sie glaubte wohl, dass sie dieser Mann frei sein lässt, sie nicht drängt, sie aber gleichzeitig schützt.
Sie sollte sich irren.
Er fühlte sich, glaube ich, überfordert und hat sie verlassen. Das war eine Niederlage und hat ihr Leben zerstört. Sie sagte ja später auch, er sei ihr Mörder. Er dagegen sagte, er fühle sich befreit und hat dann noch dreimal geheiratet, jeweils die Nächstjüngere: ein ganz normales Männerleben.
Wollen Sie mit diesem Film ihre Biografie gerade rücken?
Als ich mit den Recherchen anfing, dachte ich, dass der Verlag mir die Einsicht in ihre Korrespondenz mit Frisch gibt, die ist bekanntlich noch nicht erschienen. Ich habe bei all meinen Filmen über Rosa Luxemburg, Hannah Arendt und Hildegard von Bingen auf die Korrespondenz zurückgreifen können. Das finde ich wichtig, denn man schreibt ja jedem Menschen anders. Ich kenne die Celan-Briefe und jene von Henze an sie, aber mir fehlten die Briefe von Frisch. Der Verlag erteilte mir keine Erlaubnis.
Sie kennen wirklich nichts?
Gar nichts. Sogar ihr Bruder wollte mir helfen, dasselbe gilt für die Erben von Max Frisch. Es war der Verlag. Da war nichts zu machen.
Ist das nicht riskant?
Ich kenne zum Glück einen Schriftsteller, der eine Zeit lang dort Lektor war. Er wollte mir helfen und hat sich sehr bemüht, dass ich an die Briefe komme. Ich schickte ihm das Drehbuch und bat ihn, mir zu sagen, ob ich irgendwo falsch liege. Er schrieb mir, ich brauche keine Unruhe haben, es sei nichts eklatant falsch daran.
Wie erzählen Sie die Geschichte nun ohne Briefe?
Meine rettende Idee: Ich erzähle die Geschichte über eine Reise in die Wüste, die sie mit Adolf Opel unternahm, der darüber auch ein Buch schrieb. Auf dieser Reise hatte Bachmann für einen Moment das Gefühl, sie sei erlöst und gesundet. Ausgehend davon blicken wir auf das Leben der beiden zurück.
Max Frisch soll sehr eifersüchtig gewesen sein. War er es auch auf ihren Erfolg?
Er war ein Monster! Ich habe seine zweite Frau Marianne Frisch, jene, für die er Ingeborg verlassen hat, getroffen. Sie ist dagegen, dass ich einen Film über ihn mache, aber hat mir viel erzählt. Sie sagte auch, er sei ein Monster an Eifersucht. Das kenne ich, ich bin selbst eifersüchtig.
Welches Bild wollten Sie von Bachmann zeichnen?
Eines, das so vielfältig und diffus ist, wie es vielleicht war. Kein Mensch kannte sie wirklich. Warum sollte ich das von mir verlangen? Frisch sagte immer, sie war eine Geheimniskrämerin. Sie wollte ihr Leben schützen und mit jenen, die ihr etwas bedeuteten, hundertprozentig zusammen sein. Keiner wusste vom anderen. Als sie starb, waren viele Freunde da, um zu trauern. Jeder dachte, er wäre der beste Freund oder die beste Freundin. Sie gab allen dieses Gefühl, der oder die Einzige zu sein. Das ist eine Begabung.
Sie drehen in sechs Ländern – leider nicht in Klagenfurt, wo sie ihre Kindheit verbrachte.
Kärnten konnte das Projekt leider nicht ausreichend fördern. Ich bin sehr traurig darüber, ich war mehrere Tage mit dem Produzenten Alexander Dumreicher-Ivanceanu vor Ort und habe viele Menschen getroffen, die sie kannten oder sich mit ihrem Werk beschäftigt haben.
Warum haben Sie Vicky Krieps als Bachmann besetzt?
Ich wollte sie unbedingt haben. Sie hat eine Art, ernsthaft zu sein und plötzlich zu lächeln, dass das Gesicht erstrahlt. Das hat sonst niemand – und das hatte Ingeborg Bachmann auch.
Als Filmemacherin waren Sie so oft Pionierin. Was denken Sie, wenn Frauen nun von den Oscars bis Venedig reüssieren?
Das ist fantastisch! Endlich werden Frauen bemerkt. Gekonnt haben sie es immer schon, aber sie wurden immer zur Seite geschoben. Seit der #MeToo-Bewegung profitieren auch Regisseurinnen.
Sind Sie rückblickend stolz darauf, gekämpft zu haben?
Was heißt stolz? Ich habe kämpfen müssen, es hat mir niemand erleichtert. Ich bin einfach froh, dass es so geschehen ist.