Edgar Böhm - hauptberuflich eigentlich ORF-Unterhaltungschef - ist seit einem Jahr als Executive Producer für den Eurovision Song Contest in Wien zuständig. Kurz vor der heißen Phase des Events sprach der 61-Jährige mit der Austria Presseagentur über seinen Job, das Genießen und darüber, wie man Alpen und Conchita Wurst verbindet.

Ein Jahr Arbeit liegt hinter Ihnen und jetzt rollt der ESC-Tross an. Haben Sie noch Zeit zum Luftholen?

EDGAR BÖHM: Wenn man etwas so lange plant, es sich schließlich mit Leben erfüllt und man hört, dass es gut ankommt und sich alle wohlfühlen, dann ist das natürlich eine große Erleichterung. Ich genieße es.

Nun finden sich im ESC-Kosmos viele Supervisor, Stagedirectors, Showproducer und Sie als Executive Producer. Was konkret ist Ihre Aufgabe?

BÖHM: Ich bin gegenüber European Broadcasting Union der Ansprechpartner für den operativen Bereich. Der Executive Producer der EBU hat einen Executive Producer des Gastgeberlandes gegenüber, bei dem alles zusammenläuft und der versucht, sich einen Überblick in dieser riesigen Produktion zu verschaffen, der koordiniert und für die Kommunikation verantwortlich ist. Ich versuche, die Dinge beisammen und die Budgets zu halten. Im Hintergrund gibt es eine Reference Group, die sich alle sechs bis acht Wochen getroffen hat, um die Entwicklung des Projekts zu überprüfen. Wir haben dabei gute Zeugnisse bekommen. Und ich bin auch für die kommenden zwei Jahre in der Reference Group und kann - wenn gewünscht - alle Erfahrungen an den Nächsten zur Verfügung stellen.

Wie starr sind die Vorgaben der EBU für das Projekt, und wie groß sind die Freiheiten des Gastgebers?

BÖHM: Die Regeln und das Votingsystem stehen fest. Aber alles andere, also wie die Show aufgezogen wird, welches Design, welchen Slogan, welche Moderatoren oder welche Einspielfilme es gibt - das ist total uns überlassen. Das Schöne an der Geschichte ist ja, dass jedes Land die Show neu interpretieren kann.

Eine Neuerung dabei ist, dass es wieder eine haptisch vorhandene Bühne gibt. Warum?

BÖHM: Unser Ziel war ein Bühnenbild, das sich unterscheidet von den vergangenen Jahren, als sehr stark mit LED und Grafik gearbeitet wurde. Wir wollten wieder eine richtige Bühne, ein dreidimensionales Kunstwerk. Wir wollten keine gigantische Bühne hinstellen, auf der sich die Künstler verlieren, die ja das Zentrum der Schau sind. Durch unser Bühnenauge liegt der Fokus auf den Künstlern, weniger den Riesendekos der vergangenen Jahre.

Auch der Green Room für die Künstler findet sich direkt in der Halle. Nimmt Ihnen das nicht zu viele Zuschauerplätze?

BÖHM: Die Stadthalle war die einzige Halle, in der das in Österreich überhaupt möglich war, was ein Grund war, weshalb die Entscheidung auf Wien gefallen ist. Dafür ist eine ganze Tribüne abgebaut worden. Wenn dann die Künstler von der Bühne durchs Publikum auf den Green Room ziehen, muss man sagen: Das hat es noch nie in dieser Form gegeben. Das ist keine intime Lösung in der riesigen Halle, aber es ist eine Lösung, in der alle zusammenrücken.

Seine neue Aufgabe verdankt Böhm Conchita Wursts ESC-Sieg
Seine neue Aufgabe verdankt Böhm Conchita Wursts ESC-Sieg © ORF

Im Rahmen der Show gibt es die üblichen Österreich-Klischeebilder von den Philharmonikern bis hin zu den Alpen. Warum haben Sie nicht die Chance nach dem Sieg von Conchita Wurst genutzt, das schräge, moderne Österreich zu präsentieren?

BÖHM: Wir wollen eine Brücke schlagen zwischen der Tradition - das ist die Klassik in Österreich - und der Moderne. Wir werden beweisen, dass das zusammengehört. Nichts kann modern sein, was nicht auf etwas Altem beruht. Wenn wir die Brücke schlagen zwischen Philharmonikern und Life Ball, Alpenbildern und Conchita, spannen wir einen Bogen, der sich sehr modern präsentiert, aber sich nicht selbst verleugnet. Wir sind ein Alpenland - also warum sollen wir nicht die Alpen zeigen? Wie wir sie zeigen, ist die Frage. Das Motto "Building Bridges" bezieht sich auch auf unser Konzept.

Welche Rolle kommt der Ironie beim Showkonzept zu?

BÖHM: Gerade bei den Zuspielungen werden wir diesen Punkt sehr in den Fokus nehmen. Wir werden das Ganze mit einem lachenden Auge machen. Wir wollen uns dort nicht zu ernst nehmen, sondern mit etwas Ironie in die Geschichte zurückschauen und uns nicht staatstragend präsentieren, sondern als freundliches Land, das Humor hat. Ich hoffe, dass man auch beim Song Contest 2015 herzlich lachen kann.

INTERVIEW: MARTIN FICHTER-WÖß