Während angesichts der darniederliegenden Wirtschaft hunderttausende Menschen in Österreich um ihre wirtschaftliche Existenz bangen, gehen am kommenden Dienstag mit den Beamten ausgerechnet jene für höhere Löhne auf die Straße, die nichts zu befürchten haben. Das ist ihr gutes Recht. Der Arbeitgeber Staat sollte sich davon allerdings nicht beeindrucken lassen, sondern auf Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker hören, die für eine Nulllohnrunde im öffentlichen Dienst plädiert. Sie begründet das mit einer ganzen Reihe an Privilegien, von denen die Beschäftigten in der Wirtschaft nur träumen können: absolute Arbeitsplatzsicherheit, großzügige Pensionsregelungen und eine Gehaltsautomatik, die auch in Krisenzeiten verlässlich nach oben zeigt.

Wie von meinen Kollegen in der Agenda Austria berechnet, brächte jeder Prozentsatz weniger Lohn für die öffentlich Bediensteten knapp 180 Millionen Euro, eine Nulllohnrunde ersparte den Steuerzahlern 700 Millionen Euro. Dass es dazu kommt, ist aber ungefähr so wahrscheinlich wie ein Schneesturm in Saudi-Arabien. Erstens fehlt den Politikern dazu der Mut, zweitens kommen sie selbst zum Großteil aus dem öffentlichen Dienst, drittens sitzen den Beamtengewerkschaftern auf der Arbeitgeberseite ebenfalls Beamte gegenüber, die ein nicht zu unterschätzendes Interesse am Erhalt ihrer Kaufkraft haben (eigentlich ein veritables Corporate-Governance-Problem). Und zu guter Letzt hält die ÖVP ihre schützende Hand über die Beamten, zumal die Partei längst wieder unter Kontrolle ihres Arbeitnehmerflügels steht.

Die wahren Arbeitgeber – die steuerzahlenden Bürger – haben in der Sache nichts zu melden. Eine erste wichtige Rolle könnte Finanzminister Gunter Mayr spielen, er könnte höhere Löhne an den Abbau von Dienststellen koppeln, um sicherzustellen, dass die Personalkosten für den Staat in Summe konstant bleiben. Zudem ist auf Regierungsebene umgehend eine Taskforce einzurichten, die das völlig antiquierte und leistungsfeindliche Beamtendienstrecht auf neue Beine stellt. Zentrales Ziel: Die Entlohnung im öffentlichen Dienst ist jener der normalsterblichen Arbeiter und Angestellten anzupassen. Mit marktfähigen und leistungsorientierten Gehältern, aber ohne zweijährige Vorrückungen (Biennalsprünge), überhöhte Pensionen und unzählige Sonderrechte, die niemandem mehr zu erklären sind.

Die Erzählung, wonach pragmatisierte Beschäftigte des öffentlichen Dienstes zwar wenig verdienten, dafür aber einen sicheren Arbeitsplatz und eine gute Pension haben, wurde längst von der Realität überholt: Seit Mitte der 1990er-Jahre verdienen Beamte deutlich über dem Industrieschnitt, sind vor Kündigung geschützt und haben eine fast doppelt so hohe Pension zu erwarten wie die Beschäftigten der freien Wirtschaft. Ein neues Dienstrecht würde zudem dafür sorgen, dass bestens bestallte, pragmatisierte Beamte endlich nicht mehr mit den bescheiden entlohnten, aber mit vollem Jobrisiko ausgestatteten Vertragsbediensteten in einen Verhandlungstopf geworfen werden. Also liebe Politiker, nur Mut, die Zeit ist reif!

Eine Nulllohnrunde im öffentlichen Dienst kommt nicht in Frage! Genau deshalb sind wir am Dienstag auch auf der Straße. Wir demonstrieren vor dem Bundeskanzleramt in Wien für Respekt und faire Gehälter!

Der öffentliche Dienst sorgt dafür, dass unser Land überhaupt funktioniert. Meine Kolleginnen und Kollegen kümmern sich um das Wasser, die Energie, die Sicherheit, die Gesundheit, die Bildung – und noch viele andere Bereiche. Und das oft an 365 Tagen im Jahr. Sie sind da, wenn es Hochwasser gibt, sie sind da, wenn es brennt, sie sind da, wenn andere zu Hause bleiben (müssen).

Die Beschäftigten im öffentlichen Dienst sind von der Inflation, der Erhöhung der Energiekosten und Mieten sowie von der Teuerung bei den Gütern des täglichen Lebens genauso betroffen, wie alle anderen. Es geht, wie von den Medien oft dargestellt, nicht um „Beamte“ mit sogenannten Privilegien, sondern um Durchschnittsverdiener:innen, die schon jetzt sehr genau schauen müssen, dass sie am Monatsende nicht ins Minus rutschen.

Viele von ihnen arbeiten bereits an der Belastungsgrenze, weil sie den Personalmangel ausgleichen müssen, oder immer mehr Aufgaben erfüllen müssen. Sie mit einer De-facto-Gehaltskürzung zu bestrafen – die rollierende Inflation beträgt 3,8 Prozent – ist nicht nur unfair, sondern trägt auch ganz sicher nicht dazu bei, dass für die vielen offenen Stellen im öffentlichen Dienst auch neue Kolleginnen und Kollegen gewonnen werden können.

Der Personalmangel wird nun auch für die Bevölkerung immer mehr spürbar. Es gibt bereits zahlreiche Kindergärten, die einzelne Gruppen gar nicht aufsperren können, weil es an Pädagog:innen fehlt. Erst vor ein paar Tagen machte auch die Gemeinde Lengau im Innviertel Schlagzeilen. Sie findet einfach keinen neuen Amtsleiter – und das nicht erst seit gestern.

Vom Gesundheits- und Pflegebereich möchte ich gar nicht erst reden. Da kennt praktisch jeder jemanden in der Familie, der elendslange auf einen Operationstermin oder einen Pflegeplatz wartet. Auch da steckt der Personalmangel dahinter. Alleine im vergangenen Jahr waren 2.800 Betten gesperrt, weil es einfach zu wenig Beschäftigte gibt. Nur damit man sich die Dimension vorstellen kann: Das Wiener AKH hat 1.732 Betten.

Eine Nulllohnrunde ist also völlig daneben. Sie wird auch meistens von jenen gefordert, die mehr als genug verdienen. Sie geben ihre Kinder einfach in eine private Bildungseinrichtung, oder lassen sich – wenn nötig – die Fachärztin nach Hause kommen. Sie davon zu überzeugen, dass sie diese Entwicklung früher oder später trotzdem treffen wird, ist praktisch nicht möglich. Sie sind auch oft die ersten, die laut schreien, wenn der Schnee nicht rechtzeitig geräumt ist, oder die Öffis nicht so oft fahren.

Was sehr wohl möglich ist, das sind gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen. Und die ergreifen wir auch. Bei der Demonstration sind auch viele Kolleginnen und Kollegen aus dem Kunst- und Kulturbereich dabei, denn auch ihre Gehaltserhöhung hängt maßgeblich davon ab, wie viel wir mit der Bundesregierung ausverhandeln.

Es ist für mich übrigens selbstverständlich, dass das mögliche Verhandlungsergebnis auch von allen Bundesländern übernommen wird. Auch dafür sind wir am Dienstag auf der Straße. Vorerst bei der Bundesregierung.