Bei den verheerenden Unwettern in Spanien sind mindestens 95 Menschen ums Leben gekommen. Besonders dramatisch ist die Lage in Valencia. Während die Suche nach Vermissten weitergeht, stellt sich in Spanien die Schuldfrage. Lokale Experten sehen das Problem vor allem in einem unzureichenden Notfallmanagement.
Zu wenig Präventivmaßnahmen
„In Anbetracht dessen, dass die Alarmstufe Rot ausgerufen wurde, hätten auf der Ebene der autonomen Gemeinschaften oder der Gemeinden Präventivmaßnahmen ergriffen werden müssen“, sagte etwa María del Carmen Llasat, Professorin für Atmosphärenphysik an der Universität von Barcelona, der katalanischen Tageszeitung La Vanguardia. Politik und Administration hätten versagt.
Besonders dramatisch erscheint die Lage in Anbetracht dessen, dass der Auslöser der Überschwemmungen, der sogenannte „Gota Fría“ in der Region zu dieser Jahreszeit häufig auftritt. Die Wettererscheinung basiert auf stark schwankenden Temperaturen von Meer und Luft.
Der staatliche meteorologische Dienst AEMET hatte zwar vorausgesagt, dass das diesjährige Ereignis extrem werden würde und auch entsprechend Warnungen verschickt. Der Zivilschutzalarm sei laut dem staatlichen Rundfunksender RTVE allerdings erst am Abend erfolgt, als bereits erste Flüsse über die Ufer traten.
Zudem nennt der Meteorologe José Miguel Viñas die Instrumente zur Wettervorhersage gegenüber La Vanguardia verbesserungswürdig: „Wenn wir 24 Stunden im Voraus gewusst hätten, wo die kritischen Gebiete in Valencia liegen würden, wäre die Warnung sicherlich früher ausgelöst worden.“ Auch Viñas sieht die Politik in der Verantwortung: „Wenn es ein Protokoll gegeben hätte, hätte der Katastrophenschutz sicher Maßnahmen ergriffen.“
Katastrophenalarm kam zu spät
Vorwürfe, dass der Alarm für die Bevölkerung zu spät gekommen sei, kursieren bereits in mehreren lokalen Medien. So berichtet die spanische Tageszeitung El Mundo, dass der Alarm erst ausgelöst wurde, als Tausende Menschen bereits betroffen gewesen seien. Auch in den sozialen Medien teilen Menschen ihren Unmut über das Katastrophenmanagement. Auf Twitter schreibt ein User: „Was in Valencia passiert, ist eine verdammte Schande, keine Warnungen, keine Alarme, gar nichts. Es gab mehr Warnungen vor dem letzten Hurrikan in den USA, als vor diesem DANA (isoliertes Tiefdruckgebiet in Zusammenhang mit dem „Gota Fría“ - Anm. der Redaktion). Valencia geht heute Nacht durch die Hölle.“
Ein Kärntner berichtete der Kleinen Zeitung, dass „plötzlich alle Handys gebimmelt und auch alle Alexas Alarm geschlagen haben“. Trotz Warnung hält Liz Stephens, Professorin für Klimarisiken an der Universität Reading, den Alarm für unzureichend. Die Warnung allein „vermittelt nicht, wie die Auswirkungen sein werden und was die Menschen tun sollten“, erklärt sie gegenüber La Vanguardia in einem Interview. Die Bürger seien lediglich aufgefordert worden, gefährdete Gebiete zu vermeiden.
Politik: Fokus auf Suche
Seitens der Politik liegt der Fokus aktuell auf der Suche nach den Vermissten. Verteidigungsministerin Margarita Robles lehnte es ab, sich an der in Spanien entbrannten Diskussion über Versäumnisse bei der Warnung vor diesen verheerenden Unwettern zu beteiligen. „Jeder weiß, was er gut und schlecht gemacht hat“, sagte sie mit Blick auch auf einen Streit zwischen Innenminister Fernando Grande-Marlaska und dem Regierungschef der Region Valencia, Carlos Mazón. Beide werfen sich gegenseitig vor, für das Warnsystem zuständig gewesen zu sein.
Experten raten gegenüber El Mundo nun zu mehr Planung - für den nächsten Kaltlufttropfen „Gota Fría“. Von Infrastrukturmaßnahmen bis hin zu Sensibilisierungskampagnen steht dabei alles im Raum.
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