Mussten vergangene Woche unwetterbedingt noch Wahlkampfveranstaltungen abgesagt werden, kann Vizekanzler Werner Kogler am Montag bei Sonne und spätsommerlichen Temperaturen um Stimmen werben. Vor der U-Bahnstation am Wiener Schwedenplatz haben sich zahlreiche grüne Wahlkampfhelferinnen und -helfer in Stellung gebracht, sie verteilen Flyer, vegane Gummibärli und Sonnenblumen. Unterstützung bekommen sie von Parteiprominenz: Frauensprecherin Meri Disoski ist ebenso zugegen wie Bundesrat Marco Schreuder.
Rund um den Verkehrsknotenpunkt in der Wiener Innenstadt haben es am späten Nachmittag viele eilig, doch der Vizekanzler ist bemüht, Passantinnen und Passantn in längere Gespräche zu verwickeln. Für seinen Hang, viel und gerne zu reden, ist Kogler bekannt. Mit einem jungen Mann unterhält er sich über die Bierpartei – zu wenige Inhalte findet der Vizekanzler –, gegenüber einem Paar aus dem Burgenland betont er die grüne Kompetenz beim Bodenschutz, mit zwei Frauen diskutiert er über den öffentlichen Verkehr in Wien. Dazwischen posiert Kogler mit potenziellen Wählern und deren Kindern für Fotos.
„Warum gehen die Preise bei uns nicht runter“
Im Laufe der Verteilaktion stößt Justizministerin Alma Zadić dazu, als Wiener Spitzenkandidatin lächelt sie auch am Schwedenplatz von Plakatständern. Die Bundeshauptstadt ist für die Grünen zentral, mehr als 20 Prozent der Wienerinnen und Wiener haben ihnen bei der vergangenen Nationalratswahl ihre Stimme gegeben. Schwerer hat es die Öko-Partei tendenziell bei älteren Wählerinnen und Wählern, die Umfragen zufolge eher den beiden einstigen Großparteien die Treue halten. Doch gerade bei Pensionistinnen scheinen die von Vizekanzler und Ministerin verteilten Sonnenblumen gut anzukommen. „Ich hab sogar ein grünes Jackerl an“, sagt eine Wienerin, sie darf sich eine Blume aussuchen.
Eine andere Pensionistin will kein florales Wahlkampfpräsent, sondern eine Antwort auf die Frage, die sie bei jedem Einkauf beschäftige: „Warum gehen die Preise bei uns nicht runter?“ Kogler erklärt, was eine sinkende Inflationsrate bedeutet, betont Pensionserhöhungen und Hilfszahlungen für Mindestpensionisten unter Türkis-Grün. Eigentlich müsste die Frau heute deutlich mehr bekommen als zu Beginn der Legislaturperiode, wenn nicht, müsse man der Sache auf den Grund gehen, befindet der grüne Frontmann.
Wenig Kritik an grüner Regierungsarbeit
Kritik an der Regierungsarbeit sei ihnen im Wahlkampf bisher wenig begegnet, betonen Kogler und Zadić gegenüber der Kleinen Zeitung. Ärger schlägt ihnen auch am Schwedenplatz kaum entgegen, wer keine Lust auf grünen Wahlkampf hat, macht einen Bogen um Blumen und Gummibärli. Oft begegne ihr ein „gewisser Dank“ sagt Zadić, „für das Klimaticket, die Valorisierung der Familienbeihilfe und die Stärkung der Justiz“. Klima- und Naturschutz würden die Menschen am häufigsten ansprechen, vor allem durch die Hochwasserkatastrophe in Niederösterreich sei Bodenversiegelung ein großes Thema geworden.
Naturschutz ist offenbar einem älteren Mann ein Anliegen, der sich anstellt, um der Justizministerin die Hand zu schütteln. Er werde am Sonntag erstmals die Grünen wählen, „aber nicht wegen Ihnen, sondern wegen der Frau Gewessler“. Denn auch, wenn deren Alleingang beim EU-Renaturierungsgesetz den Koalitionspartner massiv verärgert hat, sei er froh, dass Wiederherstellung der Natur künftig auf EU-Ebene geregelt ist. Ein Gesetz auf Bundesebene könne die nächste Regierung gleich wieder rückgängig machen, meint er. Zadić überreicht ihm eine Sonnenblume, „im Namen der Frau Gewessler“.
So positiv die grünen Wahlkämpfer an diesem Tag in Wien aufgenommen werden, die Umfragen sagen dem kleinen Regierungspartner dennoch deutliche Verluste voraus. Demnach kommt die Partei nur noch auf zwischen acht und zehn Prozent (2019: 13,9), eine erneute türkis-grüne Mehrheit ist quasi ausgeschlossen. Wollen Kogler und Zadić, wie sie am Montag immer wieder andeuten, für eine weitere Legislaturperiode regieren, wäre das nur in einer Dreierkoalition möglich. Ausgehen würde sich wohl eine Variante mit ÖVP und SPÖ – zumindest rechnerisch.