Die EU stellt den von den Unwetterkatastrophen betroffenen Ländern zehn Milliarden Euro aus dem Kohäsionsfonds zur Verfügung. Das erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Donnerstag bei einem Hochwasser-Gipfel in Breslau (Wrocław), zu dem Polens Regierungschef Donald Tusk geladen hatte. Österreich kann aus diesem Fonds 500 Millionen Euro abrufen, so Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) in Breslau. Es sei auch keine Gegenfinanzierung notwendig, freute er sich.
Weiters waren die Regierungschefs der Slowakei und Tschechiens, Robert Fico und Petr Fiala, bei dem Treffen in Polen dabei. Neben Österreich waren auch Polen und die beiden Nachbarländer stark von den vergangenen Unwettern sowie den Überflutungen betroffen.
Mit der einen Milliarde im österreichischen Katastrophenfonds stünden nun 1,5 Milliarden Euro für Hilfe zur Verfügung, sagte Nehammer. „Wichtig ist, dass die Hilfe unbürokratisch abläuft“, hielt der Kanzler fest. „Wer schnell hilft, hilft doppelt.“ Es sei „ein positives Signal, dass Brüssel bereit ist, den Mitgliedsstaaten zu helfen, wenn es nötig ist.“ Die nunmehr locker gemachten EU-Gelder „kommen unseren Staaten gemeinsam zugute“, sagte Nehammer bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in Richtung der Kollegen aus Polen, Tschechien und der Slowakei und auch bezüglich Rumänien, das in Breslau nicht vertreten war. „Danke an Donald Tusk für die Initiative und Ursula von der Leyen für die gute Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission.“
Nehammer will schnellere Katastrophenhilfen
Ziel müsse es sein, in der EU bei der Katastrophenhilfe die Bürokratie zurückzunehmen, um schnellere Hilfen zu ermöglichen, hatte Nehammer bereits am Flug nach Polen im Gespräch mit österreichischen Medien gesagt. In Österreich habe das schon funktioniert, verwies der Kanzler auf seiner Analyse nach positive Entwicklungen seit dem großen Hochwasser von 2002. In Niederösterreich seien aktuell bereits erste Zahlungen aus dem Katastrophenfonds angelaufen.
Zudem forderte Nehammer trotz des laufenden Nationalratswahlkampfs eine sachliche und nicht parteipolitisch motivierte Diskussion und verwies auf das Diskussionsthema „Versiegelung“. Das sei etwa in Niederösterreich nicht das Problem gewesen. Im Wienerwald seien die Bäche über die Ufer getreten, weil die Böden das Wasser nicht mehr aufgenommen hätten. „Da ist aber nichts versiegelt.“ Der Kanzler räumte jedoch ein, dass dies an anderen Orten schon eine Rolle gespielt haben könnte. Wobei das Thema „Versiegelung“ facettenreicher betrachtet werden müsse. Unter anderem gehe es ja in Gemeinden etwa auch darum, Wohnraum zu schaffen.
Von der Leyen: „Enorme Solidarität ist tröstlich“
„Europa steht an Eurer Seite“, betonte von der Leyen bei der gemeinsamen Pressekonferenz in Wrocław. „Wir müssen unsere Kräfte bündeln, um diesen Naturgewalten entgegenzutreten. Die genannten zehn Milliarden Euro würden unter anderem dem Wiederaufbau von Autobahnen, Straßen und Bahnlinien dienen, je nach Präferenz und Notwendigkeiten der Länder.“
Von der Leyen erklärte, die EU habe zwei Möglichkeiten, Hilfen „zur Finanzierung der Reparaturen und des Wiederaufbaus“ zu mobilisieren: den Kohäsionsfonds und den Solidaritätsfonds. Es sei „herzzerreißend“, die „Verwüstung und Zerstörung“ zu sehen, sagte die Kommissionspräsidentin. Gleichzeitig sei aber die „enorme Solidarität“ zwischen den Menschen der betroffenen Länder „tröstlich“, betonte sie. Das EU-Parlament hatte am Donnerstag die EU-Kommission aufgefordert, den EU-Solidaritätsfonds weiter aufzustocken.
Tusk betonte, die betroffenen Länder hätten mit brutalen Naturgewalten zu kämpfen. „Wir stehen im ständigen Kontakt mit unseren Freunden“, sagte er ebenfalls mit Verweis auf die anderen anwesenden Regierungschefs. Es gelte, gemeinsam Maßnahmen für den Wiederaufbau, die Reparatur der Infrastruktur und den weiteren Ausbau des Hochwasserschutzes zu setzen.
Zufriedenheit in Tschechien und der Slowakei
Es seien nur „45 Minuten notwendig gewesen, um unsere Erwartungen abzustecken“, freute sich der ehemalige EU-Ratspräsident. Die anwesenden Länder seien in einem unterschiedlichen Maße von den Unwettern betroffen gewesen. Doch gelte es, die EU-Mittel zusammenzuführen, damit die Unterstützung dort ankomme, wo sie gebraucht würden.
Der tschechische Premier Fiala bezeichnete die EU-Hilfen als „sehr wichtig“. Viele Menschen in seinem Land hätten ihre Häuser verloren. Es sei jede Menge Infrastruktur zerstört worden. „All das muss wieder aufgebaut werden.“
Sein slowakischer Amtskollege Fico erklärte, die Effizienz des Gipfels in Polen werde dazu beitragen, dass das „Vertrauen in die EU steigen wird“. Es brauche „Flexibilität und neue Lösungen“. Angesichts der von der EU-Kommissionspräsidentin verkündeten Hilfen in Höhe von zehn Milliarden Euro meinte er: „Ich kann mich an kein EU-Treffen mit so guten Ergebnissen erinnern. Das war ein perfektes Treffen.“
Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) begrüßte die bekannt gegebene Unterstützungsleistung für Österreich: „Jetzt geht es aber auch darum, dass die EU-Hilfszahlungen rasch dort ankommen, wo sie gebraucht werden, nämlich direkt bei unseren Landsleuten, die vor den Trümmern ihrer Existenz stehen.“
Unwetter sind nicht überall überstanden
Ein Sturmtief hatte in Österreich, Polen und anderen Ländern in Mittel- und Osteuropa seit Freitag für sintflutartige Regenfälle und Überschwemmungen gesorgt. In den Hochwassergebieten kamen mehr als 23 Menschen ums Leben, fünf davon in Niederösterreich.
In Breslau ist die Hochwasser-Situation indes weiter angespannt. Der Hochwasserschutz vorsorglich verstärkt, tausende Sandsäcke aufgeschichtet. Durch die niederschlesische Stadt zog am Donnerstag eine Hochwasserwelle, berichtete die polnische Nachrichtenagentur PAP. Der Wasserstand der Oder ist demnach sehr hoch, aber der Fluss hat im Stadtzentrum und den umliegenden Stadtteilen keine Schäden verursacht. Am schwierigsten ist die Lage im Westen der Stadt, wo der Fluss Bystrzyca fließt. Ein Teil der Straßen dort wurde überschwemmt. Beim Oder-Hochwasser 1997 wurde die Stadt mit 630.000 Einwohnern zu einem Drittel überschwemmt.