„Wenn wir den U-Ausschuss nicht ernst nehmen, sondern einer illegalen Aufnahme mehr Bedeutung zumessen, ist etwas schief in diesem Staat“: ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker zeigte sich am Mittwoch empört über eine am Vortag bekanntgewordene Tonbandaufnahme, in der Christian Pilnacek Vorwürfe gegen ÖVP-Politiker erhebt. Diese hätten ihn dazu gedrängt, in Ermittlungen zu intervenieren, beklagt darin der kürzlich verstorbene und davor suspendierte Sektionschef im Justizministerium. Unter anderem belastet Pilnacek den ÖVP-Politiker und Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka.

Stocker ortet „einen weiteren Tiefpunkt der politischen Auseinandersetzung, mit dem Ziel, die Volkspartei in ein schlechtes Licht zu rücken“. Nun müsse aufgeklärt werden, wer das Video aus welchen Motiven erstellt habe. Die Aufklärung sei nicht nur im Interesse der ÖVP, „sondern auch im Interesse der Republik“, betonte Stocker, der sich an „Methoden des KGB“ erinnert fühlte.

Petzner werde „Fragen beantworten müssen“

Der ÖVP-Generalsekretär vermutete die Urheberschaft der Tonbandaufnahme in der Nähe der FPÖ. Dazu zeigte Stocker vor Journalisten einen Ausschnitt aus der Sendung „Fellner Live“ mit Ex-BZÖ-Politiker Stefan Petzer von November 2022. „Auf den Herrn Sobotka kommt noch einiges zu, er weiß es nur noch nicht“, sagt Petzner darin. Er unterstelle Petzner nichts, doch werde dieser „Fragen beantworten müssen“, meinte Stocker. Die veröffentlichte Tonbandaufnahme entstand allerdings rund ein halbes Jahr nach Petzners TV-Auftritt. Petzner war einer der engsten Vertrauen von Jörg Haider; der ehemalige Kärntner Landeshauptmann und langjährige FPÖ-Chef hatte 2005 die freiheitliche Abspaltung des BZÖ ins Leben gerufen.

Zu den im Mitschnitt erhobenen Vorwürfen äußerte sich Stocker nicht. „Ich werde dieses Machwerk nicht inhaltlich kommentieren“, so der Generalsekretär. „Für mich gilt, was Christian Pilnacek im Untersuchungsausschuss gesagt hat.“ Dort habe der Sektionschef angegeben, keine Ermittlungen behindert zu haben. Stocker habe keine Zweifel, „dass Pilnacek der Wahrheitspflicht entsprochen hat“. Der Inhalt des Tonbandes sei also aufgeklärt, „der Sachverhalt ist klar“.

Rückendeckung für Sobotka auch von Nehammer

Im Nationalrat forderte zu Beginn der Sitzung die Opposition von SPÖ, FPÖ und Neos geschlossen den Rücktritt des Nationalratspräsidenten. Dafür sah Stocker keinen Anlass. „Es kann nicht an der Anzahl der Vorwürfe liegen, ob jemand zurücktreten muss.“ Auch von Bundeskanzler Karl Nehammer bekam der Nationalratspräsident am Mittwoch Rückendeckung. Dieser habe sein Vertrauen, betonte der ÖVP-Chef und sah wie auch Stocker einen „Tiefpunkt der politischen Auseinandersetzung“. Dass nach Pilnaceks Tod über dessen Aussagen diskutiert werde, sei „moralisch nicht vertretbar“.