Apple-Chef Steve Jobs machte im Jahr 2007 im Wall Street Journal seine Abneigung vor Knöpfen öffentlich. Sobald er mit Knöpfen konfrontiert sei, erklärte der Computerpionier damals, krampfe sich ihn ihm alles zusammen, er ekle sich vor Knöpfen. Es heißt, dass er deswegen auch nur Rollkragenpullover trug, weil er eben an der sogenannten Koumpounophobie litt (Koumpouno ist das griechische Wort für Knopf). Jobs‘ Phobie soll sich auch auf die Knöpfe von Maschinen erstreckt haben, was auch als Erklärung für die Schlichtheit und Eleganz der Apple-Produkte gedeutet wird. Die Angst vor Knöpfen zählt wie die vergleichsweise weit verbreitete Angst vor Spinnen oder Schlangen zu den spezifischen Phobien, mit denen etwa sieben Prozent der Bevölkerung kämpfen. Kleine Dinge können eine große Angst auslösen. Ängste und Ekelgefühle sind evolutionsbedingt zwar sinnvoll, ja sogar lebensnotwendig, denn sie schützen uns letztlich auch vor Gefahren. Wenn sich diese Gefühle aber verselbstständigen und Objekte betreffen, vor denen gar keine Gefahr droht, spricht man aber von einer Phobie.
Die britische Bestsellerautorin und Journalistin Kate Summerscale wohnt im Norden Londons. Sie selbst leidet unter Flugangst. Zwar nicht so intensiv, dass sie in kein Flugzeug mehr steigen kann, aber doch so sehr, dass ihr immer schwummrig wird, sobald sie ein Flugzeug betritt. Ihre irrationale Angst ist laut Definition zwar noch keine Phobie, aber doch so stark, dass sie sich leichter in die Phobien und Manien anderer Menschen hineinversetzen kann. In ihrem faszinierenden, sehr ernsthaften und zugleich unterhaltsamen „Buch der Phobien und Manien. Eine Geschichte der Welt in 99 Obsessionen“, versammelt sie Geschichten von Menschen, die im Alltag von Verrücktheiten bestimmt werden, weil ihr Gehirn Verbindungen herstellt, die anderen äußerst seltsam vorkommen. Harmlose Situationen entwickeln sich im Kopf zu einer Bedrohung. „Geht man bei einer Phobie von einem Drang aus, etwas zu meiden, so liegt einer Manie eher der Drang zugrunde, etwas zu tun“, erklärt Summerscale.
Niemand ist vor der Seltsamkeit des Menschseins geschützt, nicht auf dem Land, nicht in der Großstadt, nicht in der Weite des Nordpolarmeers. Der römische Kaiser Augustus verkroch sich bei Donnergrollen stets im Keller. Ungleich tragischer ist es allerdings, wenn die Inuit in Grönland die Kajakphobie befällt und sie sich vor ihren Kajaks fürchten, mit denen sie nach alter Sitte auf Robbenjagd gehen. Während laut Summerscale westliche Ärzte die Kajakphobie als eine individuelle Erkrankung deuten, sind die Grönländer der Ansicht, dass sie von sozialen Spannungen herrühre. Für sie gehen die Probleme nicht auf den Einzelnen, sondern auf die Gemeinschaft zurück. Die Symptome: Die Panik setzt häufig ein, wenn das Meer spiegelglatt ist. Den Jäger in seinem Kajak befällt Angst und Schwindel, er wird panisch. Manchen fällt es schwer, Entfernungen abzuschätzen, was dann wirklich zu einer Gefahr wird.
Kurz nach dem Kinostart seines Film „Die Vögel“ gestand Alfred Hitchcock der italienischen Journalistin Oriana Fallaci, die später eine berühmte Autorin werden sollte, er leide an Ovophobie, es ekle ihn vor Eiern (ovum ist das lateinische Wort für Ei). „Haben Sie jemals etwas Abstoßenderes gesehen als einen Eidotter?“ fragte er Fallaci. Er bekannte auch, Angst vor seinen eigenen Filmen zu haben, wenngleich es wohl Koketterie war, als er sagte: „Ich schaue sie mir niemals an. Ich weiß nicht, wie die Leute es aushalten, sich meine Filme anzusehen.“
Aber nicht nur einzelne Menschen, auch ganze Nationen können durchdrehen. So geschehen bei der niederländischen „Tulpenmanie“ von 1634 bis 1637, in deren Verlauf der Preis für Tulpenzwiebeln in astronomische Höhen stieg, um dann in den Keller zu gehen und damit Spekulanten in den Ruin trieb. „Der Hunger nach Tulpen“, schreibt Summerscale, wurde zum Symbol für Hybris, Habsucht und kapitalistische Hysterie.“
Zu den am meisten verbreiteten Phobien zählt die Akrophobie, die Höhenangst. „Fast 20 Prozent der Weltbevölkerung empfinden Höhenangst, für ungefähr fünf Prozent steigert sich diese Angst zu einer Phobie“, schreibt Summerscale. Überraschenderweise fürchteten sich laut Untersuchungen die meisten Akrophoben jedoch nicht vor einem versehentlichen Sturz, sondern vor dem eigenen instinktiven Bedürfnis hinunter zu springen. Der Mensch, so Summerscales Schlussfolgerung, fürchtet offenbar vor allem sich selbst.