Migrationsforscher Gerald Knaus sieht Asylverfahren außerhalb Europas als möglichen wichtigen Baustein zur Begrenzung irregulärer Migration. Es brauche jetzt ein europäisches Pilotprojekt, so Knaus zur dpa. „Die EU-Kommission könnte vorschlagen: Alle, die in den nächsten zwei Jahren über das zentrale Mittelmeer kommen, kann Italien in einen sicheren Drittstaat schicken.“ Der Schlüssel dazu seien Verhandlungen mit einem Land in Afrika, das Interesse an der Kooperation habe.

Unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention

Die deutsche Bundesregierung soll laut Bund-Länder-Beschluss aus der Nacht zum Dienstag prüfen, ob Asylverfahrenc und der Europäischen Menschenrechtskonvention“ künftig auch außerhalb Europas durchgeführt werden können. Das hatten sich SPD, Grüne und FDP schon in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, wenn auch nur für Ausnahmefälle. Diese Prüfung läuft laut Innenministerium schon.

Die EU könnte mit Ruanda eine ähnliche Vereinbarung treffen, wie dies London schon getan habe, erklärte Knaus. Die Londoner Regierung will, dass irregulär nach Großbritannien eingereiste Menschen ungeachtet ihrer Herkunft und ohne Prüfung ihres Asylantrags festgehalten und so bald wie möglich nach Ruanda abgeschoben werden, wo sie dann auch um Asyl ersuchen sollen. Eine Rückkehr nach Großbritannien ist nicht vorgesehen. Ein hohes britisches Gericht hatte die Pläne für rechtswidrig erklärt. Die Regierung hat dagegen Berufung eingelegt, die Entscheidung des obersten britischen Gerichts steht noch aus. „Der Unterschied zu dem rechtlich angreifbaren britischen Modell müsste sein, dass dann nicht Ruanda dort die Asylverfahren durchführen würde, sondern zum Beispiel das Flüchtlingshilfswerk UNHCR“, erklärte Knaus.

Knaus sagte, wenn solch ein Anliegen zur Chefsache werde und sich Regierungschefs wie Kanzler Olaf Scholz (SPD) engagierten, mit der Unterstützung von Innen-, Außen- und Wirtschaftsministerium, „dann könnte man so etwas in drei Monaten auf die Beine stellen“. Er betonte: „Es ist jede Anstrengung wert, noch vor den Europawahlen im Frühjahr zu zeigen, dass Demokratien irreguläre Migration reduzieren und Leben retten können, weil schnell weniger Menschen über das Mittelmeer kommen, ohne Menschenrechte zu verletzen.“ Daneben hat sich Italien am Montag mit Albanien geeinigt, dort zwei Aufnahmezentren für Mittelmeer-Migranten zu errichten, in denen Asylanträge geprüft und wenn nötig schnellere Rückführungen ermöglicht werden.

„Hat nichts mit Kolonialismus zu tun“

Knaus warb auch für eine Vereinbarung zwischen einer Gruppe von EU-Staaten und Großbritannien. Diese könnten so zeigen, dass solche Regelungen „nichts mit Kolonialismus“ zu tun hätten, sondern für beide Seiten sinnvoll sein könnten. „Alle Migranten, die ab einem Stichtag irregulär über den Ärmelkanal reisen, würden von Frankreich, Deutschland und den Benelux zurückgenommen“, schlug Knaus vor. „Das würde das Geschäftsmodell der Schleuser sofort zerschlagen. Im Gegenzug würde Großbritannien natürlich legal Zehntausende Flüchtlinge im Jahr aus Europa aufnehmen – aber eben nicht die gleichen, die vorher schon versucht haben, unerlaubt zu kommen.“

Knaus gilt als Architekt der EU-Türkei-Vereinbarung von 2015, die eine Zusammenarbeit in Migrationsfragen zwischen der Türkei und Griechenland vorsieht.