Unter den mehr als 12.000 in Österreich lebenden Jüdinnen und Juden sitzt der Schock über den 7. Oktober tief - nicht nur, weil viele Freunde oder Verwandte in Israel haben, die vom Hamas-Überfall betroffen waren. Israel galt seit dem Holocaust als letztes Refugium - für den Fall der Fälle. Vor einem Monat hat Israel den Nimbus der Unverwundbarkeit verloren.
Enthauptung durch Geste in U-Bahn signalisiert
Auch in Österreich haben die antisemitischen Übergriffe rasant zugenommen. Allein in den ersten drei Wochen wurden der Meldestelle der Kultusgemeinde 165 Vorfälle gemeldet – so viele wie 2022 innerhalb von drei Monaten. Abgesehen von Schmieraktionen, Fahnenschändungen oder Sachbeschädigungen werden Jüdinnen und Juden zunehmend Zielscheibe von Beschimpfungen, Drangsalierungen, Einschüchterungen. Kürzlich wurde einer jungen Frau in der U-Bahn gestisch signalisiert, dass man sie enthaupten wolle. Die Dunkelziffer sei, wie es heißt, in jedem Fall eine viel höhere.
Mehr als 20 Vorfälle an Schulen
Mehr als 20 Zwischenfälle wurden bereits an Schulen registriert. Einer Schülerin wurde von einem Mitschüler ein Hamas-Video zugeschickt. Dem Vernehmen nach werde jeder Fall von den Bildungsbehörden sehr ernst genommen. Bisher habe noch kein Kind die Schule gewechselt. Österreich zählt rund 1000 jüdische Schülerinnen und Schüler, ein größerer Teil besucht jüdische Schulen in Wien.
Man spricht noch Hebräisch auf der Sprache
Noch trotzen viele Jüdinnen und Juden den Einschüchterungsversuchen. In der Leopoldstadt, wo viele orthodoxe Juden leben, hat sich das Straßenbild in den letzten vier Wochen kaum verändert. Während in Frankreich, Belgien, auch in Deutschland sich kaum noch jemand mit einer Kippa in die Öffentlichkeit wagt, ist diese in Österreich nach wie vor präsent. Auch vernimmt man nach wie vor Hebräisch auf der Straße oder in der U-Bahn. Seit Jahren informiert die Kultusgemeinde ihre Mitglieder via SMS oder Mails zeitnah über die Sicherheitslage. Nach dem 7. Oktober wurden Eltern aufgefordert, ihre Kinder nicht mehr allein, sondern nur in Begleitung in die Schule zu schicken.
Keine türkische Fahnen bei Gaza-Demos
Die Kultusgemeinde steht in diesen Wochen in Dauerkontakt mit dem im Innenministerium eingerichteten Krisenstab. Die Sicherheitsvorkehrungen sind in der Zwischenzeit drastisch nach oben geschraubt worden, Details will man keine veröffentlichen. Im europäischen Vergleich nehmen sich die Hamas-Solidaritätsveranstaltungen in Österreich bescheiden aus. Dem Vernehmen liegt es auch daran, dass die Islamische Kultusgemeinde wie auch die türkische Botschaft mäßigend einwirken. So soll der türkische Botschafter untersagt haben, dass bei Hamas-Demos die türkische Fahne geschwenkt wird.