Als Zeichen der geplanten Wiederannäherung zwischen Polen und der EU hat der polnische Oppositionsführer Donald Tusk am Mittwoch Brüssel besucht. Polen müsse auf der europäischen Bühne wieder „eine Hauptrolle“ spielen, sagte der frühere EU-Ratspräsident nur zehn Tage nach seinem Wahlerfolg bei einem Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch. Zugleich äußerte Tusk die Hoffnung auf eingefrorene EU-Gelder in Milliardenhöhe.
Symbolischer Besuch
Er wolle „das Geld sichern, das auf Polen wartet“, sagte der konservative Politiker. Tusks liberal-konservative Bürgerkoalition (KO) und ihre möglichen Bündnispartner hatten die Parlamentswahl am 15. Oktober gewonnen. Tusk hat aber noch keinen Auftrag zur Regierungsbildung durch Präsident Andrzej Duda, welcher der bisher regierenden rechtsnationalistischen PiS-Partei nahesteht. Deshalb gilt der frühe Empfang durch von der Leyen in Brüssel als hoch symbolisch.
„Ich bin stolz, Pole und Europäer zu sein“, sagte Tusk. Ziel seiner Reise sei es, seinem Land wieder eine Stellung in Europa zu verschaffen und die EU insgesamt zu stärken. Von der Leyen sagte, sie sehe „viele Gemeinsamkeiten“ mit Tusk bei Themen wie der Unterstützung für die Ukraine und demokratischen Werten.
Künftiger Premier
Mit der bisherigen PiS-Regierung hatte sich die EU jahrelang einen erbitterten Streit um die Rechtsstaatlichkeit geliefert. Alleine 35 Milliarden Euro aus dem europäischen Corona-Aufbaufonds für Polen sind deshalb eingefroren. Mit Regionalfördermitteln stehen nach Angaben aus dem Europaparlament sogar mehr als 100 Milliarden Euro auf dem Spiel. Die PiS des polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki hatte Tusk im Wahlkampf als Befehlsempfänger Brüssels, Berlins und sogar Moskaus verunglimpft und auch mit Suggestiv-Volksabstimmungen versucht, Stimmung gegen die EU zu machen. Morawiecki dürfte beim EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag wohl seinen letzten Auftritt auf europäischer Spitzenebene haben.
Tusk zählt zu den erfahrensten EU-Politikern. Von 2007 bis 2014 war er polnischer Regierungschef, danach hatte er fünf Jahre lang das Amt des EU-Ratspräsidenten inne - zuletzt gegen den erklärten Willen der rechtskonservativen Regierung seines Heimatlandes. Nach seinem Abschied aus dem Brüsseler Ratsgebäude Ende 2019 wurde er zum Präsidenten der Europäischen Volkspartei (EVP) gewählt und spielte als solcher eine wichtige Rolle beim Ausschluss der ungarischen Regierungspartei Fidesz. Mit Blick auf die polnische Parlamentswahl gab er dieses Amt im Mai 2022 auf und wechselte als Oppositionsführer nach Warschau. Bei der Parlamentswahl erzielte seine Bürgerkoalition gemeinsam mit der konservativen Partei „Dritter Weg“ und der sozialdemokratischen Linken eine satte Mehrheit im Sejm. Die drei Parteien vereinbarten am Dienstag offiziell, Tusk zum Regierungschef wählen zu wollen.