Die Absetzung des gesamten „Jedermann“-Ensembles samt Regisseur Michael Sturminger sorgt einen Tag nach Bekanntwerden noch immer für Kopfschütteln und Rätselraten. Laut Marina Davydova hat es im Direktorium der Salzburger Festspiele in den vergangenen Wochen zahlreiche Sitzungen und „viele schmerzhafte Diskussionen“ gegeben, wie man mit dem „Jedermann“ weiter verfahre. Das sagt die neue Salzburger Schauspieldirektorin am Montag in „Der Standard“ (Online-Ausgabe). Verantwortlich für die überraschende Absetzung der Produktion von 2023 sei eine Mischung aus mehreren Punkten, bei denen auch kaufmännische Erwägungen eine Rolle gespielt hätten.
Bei vielen Kritikern sei Sturmingers heurige Inszenierung auf Ablehnung gestoßen, auch die Publikumsreaktionen seien sehr gemischt ausgefallen. „Die Absetzung hat nichts mit einer persönlichen künstlerischen Präferenz von meiner Seite zu tun“, sagt Davydova, die aber „in ihrem Kopf“ das neue Team des „Jedermann“ bereits zusammengestellt haben will.
Das alte Team erwägt derzeit laut Ö1-„Mittagsjournal“ eine Sammelklage gegen die Salzburger Festspiele. Er halte sich nicht für unersetzbar, erklärte Regisseur Michael Sturminger dort. „Es geht mir nur um die Umstände, wie das geschehen ist. Es ist mir fast zu viel brutale Machtausübung, muss ich sagen.“
Eine offizielle Stellungnahme der Salzburger Festspiele zur Causa lag auch am Montag noch nicht vor. Festspiel-Intendant Markus Hinterhäuser verteidigte aber im Ö1-„Abendjournal“ die Vorgangsweise. Unmittelbar nach der Entscheidung habe man Sturminger und „Jedermann“-Darsteller Michael Maertens angerufen und ihnen diese mitgeteilt. Anschließend sei ein E-Mail an alle Ensemblemitglieder verfasst worden mit der Ankündigung, sich mit jedem persönlich in Verbindung zu setzen. „Das ist per se jetzt nicht der schlechteste Stil“, so Hinterhäuser. Nach sieben Jahren sei es legitim, dass sich die Festivalleitung für eine Neuproduktion entschieden habe.
Die Nachricht von einer völligen Neuproduktion des weltberühmten Mysterienspiels, das seit 1920 auf dem Domplatz in Szene gesetzt wird und noch immer zum sommerlichen Kultur-Hightlight zählt, kam am Sonntag völlig überraschend. „Mich hat diese Entscheidung, die ohne ein einziges Gespräch mit mir getroffen wurde, überrascht und verwundert“, sagte „Jedermann“-Darsteller Michael Maertens. Er habe einen Zwei-Jahres-Vertrag gehabt und sei überdies gebeten worden, die heuer von ihm erstmals gespielte „Jedermann“-Rolle auch 2025 und 2026 zu spielen. Daher sei er aus allen Wolken gefallen, als Davydova ihn vor wenigen Tagen angerufen habe, um ihm mitzuteilen, dass es 2024 eine neue Regie geben werde und diese sich auf eine neue Besetzung stützen wolle.
Auch Regisseur Sturminger ging von einer längeren Zusammenarbeit mit Maertens aus: „Es bestand Einvernehmen darüber, dass man eine ,Jedermann‘-Inszenierung keinesfalls für eine einzige Spielzeit plant und so auch keinem namhaften Hauptdarsteller anbieten könnte. Marina Davydova hat mir das bei unserem ersten Treffen im Mai bestätigt und im August nach einem gemeinsamen Vorstellungsbesuch mitgeteilt, dass sie unsere Inszenierung mit Michael Maertens gerne bis 2026 spielen würde.“
Eine offizielle Stellungnahme der Salzburger Festspiele zur Causa lag auch am Montag noch nicht vor.