Auch wenn Sie jetzt guter Dinge sind, dass Sie am Mittwoch die Raffael-Zeichnung ersteigern werden, brauchen Sie mit ziemlicher Sicherheit nicht das Wohnzimmer auszumessen, denn dort sollte diese Zeichnung eher nicht hängen. „Licht ist schädlich, man braucht dafür eine sehr spezielle Umgebung, einen dunklen Raum, denn diese Zeichnungen sind sehr fragil“, erklärt Mark MacDonnell, Experte für Alte Meister im Wiener Dorotheum. Die wiederentdeckte Studie von Raffael (1483-1520) ist eine von nur drei überlieferten Zeichnungen des Meisters der Hochrenaissance.
Und sie zeigt eine hochdramatische Situation: Pferd und Reiter in den letzten Sekunden ihres Lebens. Das Pferd wurde im Bereich des Brustkorbs tödlich getroffen, ist gestürzt und blickt ein letztes Mal zurück auf den Reiter, der ihm bald folgen wird. Holt doch ein Gegner im Schlachtfeld zum finalen Schlag aus: „Das Wunderbare an der Zeichnung ist die höchst emotionale Verbindung zwischen Pferd und Reiter. Eine Studie voller Energie und Charakter und das sieht man im Fresko so nicht“, erklärt MacDonnell.
Die Zeichnung ist die Vorlage für ein monumentales Fresko, das Papst Julius II. 1510 für seine Privatgemächer im Vatikan in Auftrag gegeben hat. Die „Schlacht an der Milvischen Brücke“ ist ein opulentes Gemetzel aus Pferdeleibern, ein Hauen und Stechen einer Vielzahl von Soldaten. Die Skizze Raffaels bildet ein zentrales Element des Freskos ab. Und doch ist es „nur“ ein Arbeitsblatt, auf dem neben Pferd und Reiter ein Auge, Beine und auf der Rückseite sogar die Skizze eines Schülers von Raffael zu sehen ist. Wer über das nötige Kleingeld verfügt – der Ausrufpreis liegt bei 400.000 Euro, aber über eine Million Euro ist möglich – kriegt eine Skizze von Polidoro da Caravaggio dazu. An Mitbietern mangelt es nicht, wie Mark MacDonnell bestätigt. Neben „Gemma-Raffael-schauen“-Neugierigen, die Skizze ist im Dorotheum in Wien anzuschauen, schicken schon länger Bieter auch ihre Konsulenten vorbei.