An der Kassa der riesigen US-Baumarktkette Home Depot war es um Hannes Jagerhofer endgültig geschehen. Der Multi-Unternehmer und Event-Profi war vor fünf Jahren für längere Zeit in den USA. Und er war dort auf der Transport- und Logistik-Plattform „Roadie“ registriert, die auf die private Lieferung von Paketen und Bestellungen spezialisiert ist. Im Baumarkt, es war in der Vorweihnachtszeit, erhielt er damals die Nachricht samt Anfrage, ob er nicht drei Online-Bestellungen direkt an die Kundinnen und Kunden in der Umgebung liefern könne. Jagerhofer bestätigte und stellte die Produkte zu, weil es ohnehin auf seinem Weg lag. Er war begeistert – das Ganze hatte aber auch eine zartbizarre Note.

Denn Jagerhofer sah und erlebte hier die Umsetzung eines Systems, für das er und sein Team vor mittlerweile gut zehn Jahren die Ursprungsidee hatten. 2013 startete Jagerhofer die Plattform „myrobin“. Das Prinzip: Menschen, die ohnehin aus privaten oder beruflichen Gründen auf den Straßen in Österreich und Deutschland unterwegs sind – und das vielfach mit leerem Kofferraum –, können im Zuge dieser Fahrten Pakete transportieren. Die Abwicklung erfolgt über die Plattform. Binnen eines halben Jahres, erinnert er sich im Gespräch mit der Kleinen Zeitung, wurden 20.000 registrierte Fahrer und 60.000 zugestellte Pakete verzeichnet.

Doch dann schlug die Bürokratie zu. Jagerhofer wurde mit dem Rechtsstandpunkt konfrontiert, dass jeder auf „myrobin“ Registrierte einen Gewerbeschein benötigt, um Pakete zustellen zu dürfen. Eine Judikatur dazu gab’s nicht. Es dauerte fünf Jahre, bis Jagerhofer rechtlich die Unbedenklichkeit beschieden wurde, weil ohnehin nicht mehr als das amtliche Kilometergeld dazu verdient werden darf. Die Plattform lag dadurch jahrelang auf Eis. Zumindest hierzulande.

Zugreisende transportieren Pakete: Mit Anfang April startet ein sechswöchiges Testprojekt mit den ÖBB - zunächst auf der Strecke Wien-Graz | Zugreisende transportieren Pakete: Mit Anfang April startet ein sechswöchiges Testprojekt mit den ÖBB – zunächst auf der Strecke Wien-Graz
Zugreisende transportieren Pakete: Mit Anfang April startet ein sechswöchiges Testprojekt mit den ÖBB - zunächst auf der Strecke Wien-Graz
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Denn 2015 erhielt er einen Anruf des US-Unternehmers Marc Gorlin. Dieser war im Internet auf Jagerhofers Idee aufmerksam geworden und kontaktierte ihn und bat um Ratschläge. „Ich bin dann mit unseren Entwicklern zum Erfahrungsaustausch nach Atlanta zu Marc geflogen.“ Dieser habe dann „Roadie“ gegründet, wo sich Jagerhofer, Stichwort Baumarkt, dann eben auch selbst als Fahrer betätigte. „Da wurde aus der Grundidee ein wirklich sensationelles und enorm erfolgreiches Produkt entwickelt“, so Jagerhofer. So erfolgreich, dass Gorlin „Roadie“ im Vorjahr für rund eine halbe Milliarde Dollar an den Logistik-Giganten UPS verkauft hat.

„Das trifft exakt den Zeitgeist“

Auch Jagerhofer selbst, der in der Zwischenzeit mit „checkrobin“ ein reines B2C-Projekt für die Versandlogistik von kleinen Online-Händlern aufgebaut hat, ließ das Konzept der „Crowd-Logistik“ nie los. „Das trifft exakt den Zeitgeist, die Paketmengen sind in den vergangenen Jahren immens gestiegen, es geht um die Vermeidung von CO₂ und von Verpackungsmüll – dafür haben wir die Lösung.“

Mit „myrobin“ – die digitale Plattform wird komplett neu aufgesetzt und es läuft eine Crowdfunding-Kampagne auf Conda – will Jagerhofer ab Mai durchstarten. Es soll einen Marktplatz zur Vernetzung mit Online-Shops und Verkaufsplattformen geben, im Fokus stehe auch „die letzte Meile“ als Angebot für Handelsketten. Eine Schlüsselrolle sollen Hinterlegungsboxensysteme spielen. „Wir orten großes Interesse, werden vielfach auch aktiv von Warenhausketten kontaktiert.“

Auf Sondierungsreise

Seit fast zwei Jahren sei er auf Sondierungsreise – erhebt u. a. bei großen Logistikern, Flughäfen, Airlines, Handelsketten, Paketboxen-Anbietern die Bedürfnisse und schmiedet Kooperationen. Eine solche wurde mit den ÖBB vereinbart. Schon Anfang November startet das Testprojekt „myrobin auf Schiene“. Pakete können so von Wien nach Graz und retour versendet werden. Geplant sind auch Paketstationen an den Hauptbahnhöfen. Der klare Plan: Aus dem Pilotprojekt soll eine langfristige Partnerschaft werden, die verschiedenste Zugstrecken bedient, so Jagerhofer.