Es ist fast schon ein Jahrhundert her, dass Coco Chanel ihre erste Jacke aus Tweed entwarf. In ihrer mehrere Jahre dauernden Liaison mit dem damals reichsten Mann Europas, dem Duke of Westminster, lernte sie die Essenz des britischen Stils kennen: Eleganz, Komfort und Tweed.

Das Paar residierte häufig im Schloss des Herzogs, das kalte Klima ließ auch Coco zu den Jacken ihres Geliebten greifen, die waren warm, weich und bequem. Schließlich war es ursprünglich auch ein Gewebe, das aus reiner weicher Schurwolle gefertigt war. Tweed wurde im Laufe der Zeit zum Sinnbild der Schlichtheit von Chanel. Madame Coco sorgte letztlich auch dafür, dass das Material weiterentwickelt wurde: „Tatsächlich brachte ich den Schotten bei, leichtere Tweeds herzustellen“, hielt sie einmal in einem Schreiben fest. Heute ist der Stoff aus keiner Chanel-Kollektion mehr wegzudenken. Bei den aktuellen Modewochen schickte Chanels Kreativchefin Virginie Viard Models in leichten Tweed-Hosenanzügen und Tweed-Minis über den Laufsteg.

Im Londoner Victoria & Albert Museum läuft derzeit eine Ausstellung über Coco Chanel, in der ein Bild von Coco Chanel hängt, das sie im Tweed-Kostüm zeigt, mit mehrreihiger Perlenkette und schnippischer Allüre. „Was ihr eigenes Leben betrifft, war Chanel eine unzuverlässige Erzählerin“, heißt es im Katalog zur Ausstellung. Allerdings liest sich ihre Mode wie ihr Tagebuch. Ihre Mutter starb, als sie elf war, der Vater war ein Taugenichts, das Mädchen wuchs in einem Kloster auf. Auch das spiegelt sich in ihrer Mode wider, Chanel bevorzugte ihr ganzes Schaffensleben lang die Farben der Ordensschwestern: Schwarz, Weiß und Beige, ihre legendär langen Perlenketten lassen unschwer an Rosenkränze erinnern.

Der Tweed wurde eine Reminiszenz für den Modestil von Chanel und eine Hommage an ihren sportbegeisterten Duke, bei dem der Stoff beim Jagen oder Angeln zum Einsatz kam.

Chanel hat sich aktuell ganz dem Tweed verschrieben.
Chanel hat sich aktuell ganz dem Tweed verschrieben. © (c) AFP (GEOFFROY VAN DER HASSELT)

Tweed kommt ursprünglich aus Schottland. Die dortige Schafzucht und die ungemütliche Witterung brachte die Menschen dazu, einen Wollstoff herzustellen, der den klimatischen Bedingungen trotzte, wärmte und robust war. Gefärbt wurde stets mit natürlichen Farbstoffen: So wurde aus dem typisch britischen Kreuzkraut die Farbe Orange gewonnen, von Flechten kam das Rot, von Weizen und Iris Grün. Zunächst wurden hauptsächlich Decken und Umhänge aus Tweed hergestellt, dann entdeckten erst die Schneider, dann die gesamte Modewelt den festen Stoff für sich. Eine Besonderheit ist der Harris Tweed, der nur auf den äußeren Hebriden in Heimarbeit hergestellt wird. Das Markenzeichen ist ein Echtheitsetikett, das an jedes Kleidungsstück aufgenäht ist.

Style | Unter den Mänteln waren die klassischen Chanel-Tweeds zu bauchfreien Bustiers oder kurzen Shorts geschnitten und mit frechen Fransen verziert.
Style
| Unter den Mänteln waren die klassischen Chanel-Tweeds zu bauchfreien Bustiers oder kurzen Shorts geschnitten und mit frechen Fransen verziert. © AFP

Der Name Tweed geht aller Wahrscheinlichkeit nach auf den gleichnamigen schottischen Fluss zurück, so vermuten die einen. Einige Sprachwissenschaftler sind allerdings davon überzeugt, das Wort stamme von der typischen Struktur des Stoffs, die in Schottland Twill oder Tweel genannt wird. Was hierzulande unter Köperbindung oder Zwillich bekannt ist, bezeichnet eine Webart, die zu einer schräg verlaufenden Musterung im Stoff führt und besonders strapazfähig ist. König Charles trägt ein und denselben Tweedmantel übrigens seit mehr als 40 Jahren, Bilder von Charles in diesem Mantel gehen bis ins Jahr 1988 zurück. So gesehen war König Charles eigentlich immer schon ein modischer Vorreiter. Auf dem Gelände seines schottischen Herrenhauses Dumfries House ließ er Stallungen zu Ateliers für den britischen Textilhandwerkernachwuchs ausbauen.