Mit brauner Jacke, blauer Jeans und Kopfhörern um den Hals tritt ein unscheinbarer Mann in seinen Zwanzigern vergangenen Sonntag auf einer propalästinensischen Demonstration in Wien ans Mikrofon. Nachdem einer der Organisatoren ihn als Vertreter der Gruppe „Der Funke“ ankündigt, kommt Lukas F. schnell zur Sache: „Wenn jemand – auch ein israelischer Zivilist – fragt: ‚Warum ist alles so grausam?‘, dann gibt es nur eine einzige Antwort, und zwar die Existenz des israelischen Apartheid- und Terrorstaats.“ Auch eine Lösung liefert der junge Mann umgehend mit. Beendet würde der Konflikt, „indem dieser israelische Terror- und Apartheidstaat weg ist“.
Auf Nachfrage der Kleinen Zeitung spricht die Organisation der „israelischen Nation“ ihr Existenzrecht in der Region nicht ab. Doch soll anstelle des Staates Israel „eine freiwillige sozialistische Föderation auf Basis einer demokratischen Planwirtschaft“ treten, die die „völlige Gleichstellung aller Nationen umfasst“. Im besten Fall ein naiver Wunsch, faktisch jedoch eine Infragestellung jüdischen Lebens durch die Hintertür, da die Hamas-Pogrome klar durchblicken ließen, was Juden ohne Israel drohen würde. Im ausführlich beantworteten Fragenkatalog verortete man die Schuld an der aktuellen Lage einzig beim israelischen Staat.
Geduldete Unterwanderung
Als problematisch könnten sich solche Aussagen nun für die SPÖ erweisen. Noch im Frühjahr machte „Der Funke“ aktiv Wahlkampf für Andreas Babler als Vorsitzenden und forderte eigene Mitglieder zum Eintritt in die sozialdemokratische Partei auf. Unbemerkt dürfte dies kaum geschehen sein, ließ sich Babler doch sogar mehrmals mit „Funke“-Vertretern ablichten.
Kein Kontakt, keine Aussprache
Auf Nachfrage teilt die Bundes-SPÖ mit, dass keinerlei Kontakt zur Gruppe bestehe und sich demnach keine Mitglieder in der Organisationsstruktur der Partei oder Bablers Umfeld befänden. Folglich sei auch keine Aussprache angedacht und eine offizielle Distanzierung deshalb unnötig.
Diese liefert „Der Funke“ gleich selbst, indem man Babler vorhält, sich dem „Gesinnungsdruck nationaler Einheit“ gefügt zu haben, als er zusammen mit Vertretern anderer Parteien den Terrorangriff der Hamas auf Israel verurteilt hat. „Kapituliert“ habe die SPÖ, die nurmehr Krisenverwalter des Kapitals sei. Enttäuscht sei man aber nicht vom Traiskirchener, weil man verstehe, „dass das oberste Ziel der SPÖ und Bablers die Regierungsbeteiligung ist“. Der Druck des „österreichischen Kapitals“ habe Bablers „ursprüngliche Positionen verwässert“.
Mit Wertehaltungen unvereinbar
Wohl auch aufgrund solcher Aussagen teilt die Wiener Landes-SPÖ auf Anfrage mit, dass sich „die politische Ausrichtung von ‚Der Funke‘ nicht mit unseren sozialdemokratischen Wertehaltungen vereinbaren lässt“. Deshalb gehe man davon aus, dass sich keine Mitglieder der Wiener SPÖ in der trotzkistischen Organisation engagieren.
Problem der Basis
Aus Wiens 9. Bezirk, wo sich ebenfalls das für 130.000 Euro erworbene Ladenlokal von „Der Funke“ befindet, schreibt SPÖ-Bezirksgeschäftsführer Christoph Maurer, dass abgesehen von „kruden antisemitischen Äußerungen“ das „Eintreten für kommunistische Ordnungen per se unvereinbar“ mit der sozialdemokratischen Wertehaltung ist. Man könne „nicht bestätigen, dass einzelne Mitglieder“ auch bei „Der Funke“ aktiv seien. Im Umkehrschluss schließt man am Wiener Alsergrund anscheinend auch nichts aus.
Bei der progressiven „Sektion 8“ der SPÖ Alsergrund will man keine Kenntnis über „Funke“-Mitglieder haben, auch wenn man manche Auffassungen teile – Israelfeindlichkeit freilich explizit ausgenommen. Nachfragen solle man besser bei der Sozialistischen Jugend (SJ).
SPÖ-Vorarlberg friert Förderung für SJ ein
In der SPÖ-nahen Jugendorganisation scheint es mehr Überschneidungen zu geben. Die Vorarlberger SJ teilte jüngst einen Instagram-Beitrag der Trotzkisten, in dem „für die Verteidigung von Gaza“ geworben wurde. SPÖ-Landeschef Mario Leiter sah sich zu einer ausdrücklichen Distanzierung genötigt und will „die Einstellung der Förderungen der SJ bis hin zu Parteiausschlüssen diskutieren“.
Tatsächlich hat der Landesparteivorstand am Mittwochabend beschlossen, ein Schiedsgericht unter dem Vorsitz der ehemaligen Landesparteivorsitzenden Gabi Sprickler-Falschlunger einzusetzen. Dort würden „alle möglichen Konsequenzen bis hin zum Parteiausschluss der SJ-Vorsitzenden und ihres Landessekretärs geprüft“, hieß es. Zudem habe man die 3000 Euro jährliche Förderung für die SJ eingefroren, teilte Leiter am Donnerstag mit.
Die beiden betroffenen SJ-Funktionäre seien Teil des erweiterten Landesparteivorstands, diese Funktionen sind während des Schiedsverfahrens ruhend gestellt. In ihrem quer durch alle Parteien scharf kritisierten Posting hatte die SJ Vorarlberg einen erbarmungslosen Krieg gegen die gesamte palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen beklagt und ihre Solidarität mit den Palästinensern bekundet: „Nieder mit der Heuchelei – für die Verteidigung von Gaza!“
Rotes Dilemma mit Ansage
Hinter den Kulissen scheint es zu brodeln. Doch anstatt die Parteieintritte von vornherein zu prüfen und gegebenenfalls zu verhindern, war dem linken Flügel für die Wahl Bablers zum Parteivorsitzenden jede Stimme recht. Wen man dabei als trojanisches Pferd in die Partei ließ, zeigt sich nun.
Im Übrigen weiß selbst „Der Funke“ die Anzahl von Mitgliedern in der SPÖ nicht zu beziffern, schreibt jedoch, dass man aufgrund des „knappen Ergebnisses der Mitgliederbefragung“ davon ausgehen könne, dass Bablers zweiter Platz „ohne unsere Beitritts- und Wahlempfehlung nicht möglich gewesen wäre“. Eine vermutlich übertriebene, wohl aber nicht gänzlich unberechtigte Einschätzung, trennten Babler und die drittplatzierte Pamela Rendi-Wagner keine 200 Stimmen.