Ganze 70 Jahre und ein bisschen weise: Seat feiert sein Jubiläum, aber die Feste werden angesichts der Corona-Pandemie und der aktuellen Lage ausfallen. Gerade jetzt, da die Spanier seit einigen Jahren richtig Grip bei den Verkaufszahlen und Gewinnen bekommen haben und vollends über dem Berg sind.
Mehr noch: Sie haben eine selbstbewusste Rolle im Volkswagenkonzern übernommen, arbeiten Konzepte rund um die urbane Mobilität aus. Das zeigt das Auto-Motorrad Minimo genauso auf wie der Scooter oder der praktische E-Roller, der im Sommer kommt.
Seat hat sich zu einem Mobilitätslabor entwickelt, das mit unterschiedlichsten Fortbewegungsmöglichkeiten jongliert. Und daraus strategische Konzepte für die urbane Mobilität erarbeitet, und zwar für den gesamten VW-Konzern. Das vielleicht gar nicht so ferne Ziel: eine Mobilitätsplattform ausgehend von Seat zu schaffen, die wie Netflix monatlich bezahlt wird und statt mit Filmen mit der perfekten Mobilität spielt. Passend zum Umbruch in der Autoindustrie.
Seat ist heute Spaniens größter industrieller Investor, erwirtschaftet ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Insgesamt hat man in 70 Jahren 19 Millionen Fahrzeuge hergestellt. Selbst die Gründung der Sportwagenmarke Cupra erwies sich zuletzt als Goldgriff. Und mit dem El Born steht die E-Auto-Ära vor der Tür.
Dabei galt man noch vor gut zehn Jahren als Wackelkandidat. Doch der verstorbene VW-Patriarch Ferdinand Piëch, Hardliner von Herzen, hielt die schützende Hand über die notleidende Tochter. „Ein Kind in der Familie verstößt man nicht, wenn es einmal krank ist“, pflegte er zu sagen. Das hat sich ausgezahlt. Denn eines war klar: Die Krisen, die Seat durchleben musste, machten die Marke extrem wandelbar. Zuletzt fertigte man vorübergehend mechanische Beatmungshilfen statt Fahrzeugteilen.
Statt einer Party feiert man in Coronazeiten eben das neueste Produkt: den Leon, den Bruder des Golf, aber trotzdem ein eigenständiger Kompakter.
Die wichtigsten drei Test-Erkenntnisse: Erstens ist der Platzgewinn enorm, Radstand und Länge haben massiv zugelegt. Das spürt man vor allem im Fond und beim Komfort. Der Kombi ist fast zehn Zentimeter länger geworden.
Zweitens wirkt der Leon fahrerisch etwas munterer, auch wenn er nicht so klinisch steril wie die Verwandtschaft abrollt, durchaus polternde Zwischentöne zulässt. Das adaptive Fahrwerk ist auf alle Fälle eine Überlegung wert.
Drittens der hohe Grad der Digitalisierung (samt Sprachsteuerung), die ganzen Vernetzungsmöglichkeiten, samt einer exzellenten Software und der Programmierung. So etwas ist das Herzstück der Zukunft.
Didi Hubmann