Die einen sagen „geile Karre“, die anderen wünschen dich „auf den Elektro-Friedhof“. Du wirst fotografiert, bestaunt, begutachtet, als ob du in einem Lamborghini sitzen würdest.
Dabei stromerst du in einer elektrischen Knutschkugel durch Berlin, wo Radfahrer, E-Scooter und Roller die Macht übernommen haben. Man hat vier Räder, ein Lenkrad, zwei Sitze und fährt trotzdem kein Auto, sondern laut Definition eine Art Leichtmobil mit E-Antrieb, vulgo Mopedauto der Zukunft.
Der maximale Speed liegt bei 45 km/h, die Knutschkugel ist mit 2,41/1,39/1,52 Meter (L/B/H) dimensioniert und könnte Citroëns Nachfolger für die legendäre Ente werden. Die Ente war einst als Landarbeiter-Auto gedacht, Citroëns Ami ist als Stadtauto des 21. Jahrhunderts konzipiert.
E-Mobilität: Der Citroen Ami will kein Auto sein
Spartanisch
Dabei ist das Programm spartanisch. Stahlrohrrahmen, zwei Sitze, jede Menge Kunststoff. Auf einer holprigen Fahrbahn schlagen keine weichen DS-Gene durch, sondern das Fahrwerk. Aber auf gutem Asphalt kommt dafür sogar etwas wie ein autoähnliches, komfortables Fahrgefühl auf. Erstaunlich.
Der E-Motor leistet knappe 6 kW, die 69 Kilogramm schwere Batterie (5,5 kWh) spendiert rund 75 km Reichweite.
Der Ami ist ein Hybrid im Charakter ein Zwitterwesen, der Missing Link zwischen Auto und Motorrad. Mit Vorteilen aus beiden Welten: ein Dach überm Kopf, samt Panorama-Verglasung, die den Horizont vergrößert. Und weil der Ami so klein ist, darf man in Frankreich quer auf Längsparkplätzen einparken.
Grenzgänger
Der Ami ist auch ein Grenzgänger, 471 Kilogramm leicht, man hat nur 250 Teile verbaut (ein normales Auto hat ein Vielfaches davon). Front- und Heckschürze sind ident, Türen ebenso, auch die seitliche Verglasung, das bedeutet, dass man nur durch das Lenkrad erahnen kann, wo vorne und wo hinten ist.
Und weil die Türen links/rechts ident sind, musste die Fahrertür hinten angeschlagen werden. Platz ist genug, genauso für Einkäufe (vor dem Beifahrer). Flaches kann man hinter den Sitzen verstauen, ohne Beifahrer geht mehr rein, aber dann muss man auch alles alleine schleppen.
Die gute Nachricht
Selbst zwei Mannsbilder in der 90-kg-Klasse finden Platz, ohne als Konfliktzone zu enden. Der Verbrauch ist halt höher als bei Leichtgewichten, aber Gott sei Dank ist der Ami selber so leicht. Sitzt man einmal im Auto, befinden sich neben dem Fahrersitz drei Druckschalter: Drive, Neutral, Retour. Per Knopfdruck wird ausgewählt.
Mit sphärischen Klängen geht es leichtfüßig los, man ist baff, wie einfach dieses Ding ums Eck wetzt – bei 7,2 Meter Wendekreis hat man erstens schnell den Drehwurm und zweitens glaubt man irgendwann, dass man auf einem Bierdeckel umdrehen kann. Dann legt sich der Ami auch in die Kurve.
Und wenn man auf der Geraden beschleunigt, steigert sich die Geräuschkulisse zu einem sphärischen Sound, den man mit der Warp-Geschwindigkeitsuntermalung aus den Star-Trek-Filmen vergleichen kann. 45 km/h fühlen sich dann doppelt so schnell an, man fließt im Stadtverkehr locker mit, überholt Radfahrer um Radfahrer, die einen bei einem echten Stau leider wieder ihrerseits überholen.
Aberwitzig
Denn der Ami ist im Stau wie ein Auto, da gibt’s kein Vorbeischwindeln. Man steht.
Was schade ist, denn der Ami ist eine kleine Fahrmaschine, frech, aberwitzig, aber sagen Sie niemals Auto zu ihm. Er fährt in seiner eigenen E-Klasse, One-Pedal-Feeling inklusive.
Die Konzeption macht erst die Preisgestaltung möglich. Knapp unter 7000 Euro geht’s los, Leasingangebote gibt es um rund 20 Euro (langfristiges Leasing mit Anzahlung). Das Geschäftsmodell ist digitalisiert, auf Wunsch wird der Ami wie ein Amazon-Packerl gebracht.
Aufgeladen
Geladen wird der Ami übrigens mit einem Ladekabel, das bei der Beifahrertür verortet ist. Ein normaler Haushaltsstecker, die Batterie sollte in gut drei Stunden geladen sein. Dann darf er sich mit Radlern, E-Scootern und E-Rollern duellieren. Jugendfrei ist Ami ab 15, wenn man einen Mopedführerschein gemacht hat.