New Sports eXperience. Das Credo ihres Supersportwagens, für das die Abkürzung NSX steht, haben die Herrschaften von Honda wieder mehr als Ernst genommen. Schließlich sind vier Jahre verstrichen, seit sie die erste Studie 2012 auf der Auto Show in Detroit präsentierten. Und man hat auch vernommen, dass die Japaner mit ihrem jüngsten Spross phasenweise nicht zufrieden waren, weshalb sie das Projekt immer wieder zurück an den Start geschickt haben.
Aber jetzt ist es endlich soweit: Die zweite Auflage des Honda NSX ist endlich zum Verkauf bereit. Mit vier Motoren unter der nur knapp 1,3 Meter hohen Karosserie. Der neu entwickelte V6-Benziner hängt an einem Neungang-Doppelkupplungsgetriebe und erhält Unterstützung von gleich drei E-Motoren: Einer direkt an der Schwungscheibe, die anderen jeweils an einem Vorderrad. Gemeinsam schicken sie eine Systemleistung von 581 PS an die vier Räder - je nach Fahrmodus aber auch nur an die Hinterachse. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 307 km/h.
Die Karosserie des NSX baut auf dem Space-Frame-Design auf und besteht hauptsächlich aus Aluminium. In spezifischen Bereichen kommen zudem ultrafester Stahl und Kohlefaser zum Einsatz. Ihre Verwindungssteifigkeit soll laut Honda rekordverdächtig sein – fast dreimal so hoch wie bei den Mitbewerbern.
Und die Übersicht für den Fahrer ganz groß im Lastenheft gestanden sein – was bei anderen Supersportwagen scheinbar oft weniger eine Rolle spielt, als die richtige Wahl des richtigen Farbtons für die Fußmatten. Honda hingegen hat dafür extra einen dreidimensional geformten und gebogenen Rahmenteil für die A-Säulen entwickelt, die wegen der höheren Festigkeit schlanker ausfallen konnten.
Auch die Mittelkonsole und Bedienelemente im Cockpit sind auf maximale Ergonomie mit möglichst geringer Ablenkung vom Fahren ausgelegt. Von dort aus kann der Pilot auch die vier Fahrmodi (Quiet, Sport, Sport+ und Track) des Dynamik-Systems einstellen.
Der NSX wird im Performance Manufacturing Center (PMC) im US-amerikanischen Marysville, Ohio, gefertigt, wo rund 100 hochqualifizierte, auf die Kleinserienfertigung spezialisierte Mitarbeiter mit dem Karosseriebau, der Lackierung und der Endmontage beschäftigt sind. Das 9-Gang-Doppelkupplungsgetriebe, der hintere Elektromotor mit Direktantrieb, die beiden Front-Elektromotoren und weitere Komponenten des Hybridsystems werden zuvor in Japan gefertigt.
Und diese 100 Mitarbeiter haben alle Hände voll zu tun: In England war das britische Kontingent schon ausverkauft, bevor es offizielle Bilder, geschweige denn Preise gab. Das erste Serienfahrzeug aus dem Werk wurde am 29. Januar 2016 für rund 1,2 Millionen US-Dollar an einen ganz ungeduldigen Kunden verkauft. In Österreich kann man ihn zu Preisen um die 180.000 Euro bestellen (ohne Steuern), die ersten NSX sollen im Herbst 2016 ausgeliefert werden.
Damit ist der neue NSX ähnlich bahnbrechend wie es die Ur-Version von 1990 war. Vor 25 Jahren war Honda eine große Nummer in der Formel 1. Der Name stand für die hochwertigsten Triebwerke in der Topliga des Motorsports, wenn die Jungs aus Minato also einen neuen Sportwagen bauen, dann musste er ähnlich hervorstechen.
Konventionelle Lösungen kamen nicht in Frage: Die Karosserie bestand fast vollständig aus leichtem Aluminium, die Radaufhängung, ebenfalls zu großen Teilen aus diesem Werkstoff, war an allen vier Ecken mit Doppelquerlenkern ausgeführt, um die Reifen jederzeit optimal auf die Straße zu drücken. Klappscheinwerfer sorgten für einen besseren cW-Wert, die geduckte Form, ähnlich einer Pilotenkanzel für einen möglichst geringen Auftrieb.
Überhaupt ließ sich Chefdesigner Ken Okuyama stark vom Cockpit des F-16-Kampfjets inspirieren, was Styling, Bedienfreundlichkeit aber auch den guten Rundumblick betraf. Durch das gesamte Projekt zog sich die minimalistische Herangehensweise, nur das zu verbauen, was auch wirklich von Nutzen ist.
Gleiches galt für den Motor: 280 PS waren damals schon nicht herausragend viel, trotzdem bekam jeder Konstrukteur runde Augen, wenn es an die Details des V6 ging: Pleuel aus Titan. Das seinerzeit exotische V-TEC-System, das je nach Drehzahl die Steuerzeiten der Nockenwellen ändert. Dazu ein Drehzahlband bis 8000 Umdrehungen und etwas später sogar eine elektronisch angesteuerte Drosselklappe, all das machte den Sechszylinder zu einem seidigen Athleten, aber zu keinem rohen Muskelprotz.
Dass der NSX alles bügelte, was sich damals Sportwagen nennen durfte, zeigt, wie harmonisch das Gesamtkonzept ausfiel, und wie viel Qualität allein im Chassis stecken musste – auch wenn es lange Zeit nicht danach aussah.
Mit der Steifigkeit haperte es seit Anfang der Entwicklung 1986. Man hatte einfach zu wenig Erfahrung mit Aluminium, verarbeitete es wie Stahl, was die einzelnen Komponenten unnötig weich werden ließ. Also verstärkte man sie, wodurch wiederum das Gewicht anstieg. Irgendwie war einfach der Wurm drin, jedenfalls war klar, dass die gesamte Mannschaft noch einmal auf Klausur musste, um das Projekt endlich den entscheidenden Schritt weiterzubringen.
Das Semniarhotel: Der Nürburgring. Der Lehrmeister: Ayrton Senna. Die intensive Test-Session in der Vulkaneifel, die analytische Fahrweise des Werkspiloten und das Infragestellen zahlreicher Komponenten brachte den Durchbruch: Der NSX wurde zum Meilenstein effektiven Fahrzeugbaus: Das steife Chassis und der niedrige Schwerpunkt benötigten kein überhartes Fahrwerk, was den Fahrkomfort steigerte.
Zudem konnte der Grip dank der guten Fahrwerksgeometrie und austarierten Gewichtsverhältnisses optimal verarbeitet werden. Daher benötigte es keiner extrabreiten Reifen, was wiederum die ungefederten Massen senkte. Alles ging – so wie bei Sennas Fahrweise – fließend ineinander. Man war bereit für die Konkurrenz.
Während der frisch gebackene zweifache Weltmeister erste Demorunden drehte, platzierte Honda den Wagen schlauerweise zuerst auf US-Autoshows. Der Markt nahm über die Jahre die Hälfte der Produktion ab, in Europa lief das Geschäft nicht ganz so rosig.
Wenn, ja wenn der Wagen ein Ferrari-Zeichen hätte, ätzten die Medien, dann würde er sich blendend verkaufen. Doch dazu war sein Wesen einfach nicht italienisch genug: So ließ er sich nicht nur spielend leicht beherrschen. Seine tief in der DNA verwurzelte japanische Zuverlässigkeit ließ ihn auch noch bei Laufleistungen anstandslos funktionieren, von dem manch italienisches Zuchtpferd nur träumen konnte. Was während der ersten 500.000 Kilometer kaputt gehen konnte? Die Bremsbeläge vielleicht.
Trotz dieses Bündels an Talenten konnte er bei uns als Honda, der seinerzeit mit 1,1 Millionen Schilling Verkaufspreis das mit Abstand teuerste Auto aus japanischer Produktion war, nur rund 50 Connaisseure automobiler Kunst für sich gewinnen. Und selbst bei diesen Preisen zahlte Honda noch drauf. 2002 verlor er seine charakteristischen Klappscheinwerfer, 2005 war alles vorbei. Neue Abgasnormen wären nur mit erheblichem technischen Aufwand zu erfüllen gewesen, nach 18.000 Stück war der „New Sportscar eXperimental“ Geschichte – bis heute.