Es waren harte Zeiten für Alfisti. 1986 hatte Fiat den chronisch klammen Staatskonzern Alfa Romeo übernommen. Und nein, die Zeiten wurden nicht dadurch für die Marke nicht schlagartig rosiger, vielmehr verlor die Marke im Konzern, zu dem auch Lancia zählte, zunehmend ihre Identität. Aber dann bracht der September 1997 an und mit der Internationalen Automobilausstellung eine neue Ära.
Dort stand eine viertürige Mittelklasse-Limousine im Rampenlicht: der 156. Der darauf folgende Wirbel der enthusiasmierten Tifosi hatte etwas von der Euphorie, als 1963 ebendort das Tuch von der legendären Giulia gezogen wurde. Der Erfolg ging freilich größtenteils auf das Konto von Walter de Silva, dem der 156 zu Weltruhm und diversen weiteren Posten als Chefdesigner (Seat, Audi, VW) verhelfen sollte.
Er ließ das Herz der Marke wieder hochschlagen, indem er den mittleren Teil des Kühlergrills mit dem Scudetto tief nach unten zog und das Kennzeichen seitlich platzierte. Seinen Schmäh mit den in die C-Säulen eingelassenen hinteren Türgriffen, die der Limousine die Anmutung eines Zweitürers verleihen, hat de Silva selbst und auch die ganze Autoindustrie seit dem 156 oft kopiert.
Prägend für die folgenden Generationen von Fahrzeugen war auch die hohe Gürtellinie, die man bis heute so trägt. Am Cockpit mit ihren klassischen Rundinstrumenten, turbinenförmigen Lüftungsdüsen und Sitzen mit Pfeifen arbeitete Fabrizio Buonamassa mit, der später Designer beim Modelabel Bulgari wurde. Für das Facelift verpflichtete man keinen Geringeren als Giorgio Giugiaro.
Stopp - wir eilen voraus. Jedenfalls ließ sich der Tumult bei der Präsentation des 156 für Alfa Romeo auch in echtes Geld ummünzen: Bereits zwei Jahre nach der Markteinführung machte er mehr als fünfzig Prozent der gesamten Produktion aus. Insgesamt wurden bis 2007 rund 680.000 Exemplare gebaut.
Deshalb entwickelte sich aus er Stufenhecklimousine auch eine ganze Baureihe: Im Jahr 2000 folgte mit dem Sportwagon ein Kombiableger, der nicht auf praktischen Nutzen, sondern auf Lifestyle gebürstet war. Mit dem 156 GTA trimmten die Mailänder den Bestseller auf Sport - vor allem in Verbindung mit der letzten Ausbaustufe des legendären Arese-V6 mit 3,2 Litern Hubraum. Für Alfisti "der letzte echte Alfa-Motor". Und 2004 stellte man den Kombi um 6,5 Zentimeter höher und ließ den Crosswagon Q4 mit Allradantrieb frech in Richtung SUV schielen.
Mit dem Glamour der Karosserie kann die technische Basis nicht ganz mithalten. Sie stammt - wenn auch deutlich überarbeitet, wie etwa mit einer Doppelquerlenkerachse vorne und der von Lancia stammenden Camuffo-Achse hinten - vom Fiat Tipo. Immerhin verbaute man im 156 den ersten Diesel mit Common-Rail-Einspritzung. Aber weder, dass die Bausteine des Erfolgs im Konzern zusammengeklaubt waren, noch die überschaubare Zuverlässigkeit ließen die Liebe der Alfisti zum 156 erkalten.