„Extrablatt! Extrablatt! Jochen Mass startet im nächsten Rennen aus der ersten Reihe!", ruft ein kleiner Junge mit Schiebermütze und fuchtelt mit einer druckfrischen Zeitung. Realität oder Fiktion? Naja, ein bisschen von beidem.

Es ist Freitagmorgen im September. In der klaren Morgenluft im südenglischen Chichester liegt ein dumpfes Grollen. Nein, keine Schlechtwetterfront. Spitfires und Mustangs fliegen eine angedeutete Luftschlacht.

Aber das nimmt man nur am Rande wahr, das Spektakel am Boden fordert volle Aufmerksamkeit: Beim Goodwood Revival Meeting, einem der beliebtesten historischen Motorsportevents der Welt, tummeln sich elegante Ladies und Gentlemen, uniformierte Offiziere und ölverschmierte Mechaniker, untermalt von Charleston oder Big-Band-Sound.

Nur antikes Blech darf aufs Gelände, ob es nun als Abschleppwagen, Würstlstand, Taxi oder Dekoration dient. Jaguar, Bentley, Ferrari und Aston Martin an jeder Ecke, aber man muss kein Faible für Autos haben, um sich beim Revival Meeting königlich zu amüsieren.

Mit der Eintrittskarte löst man ein Ticket für eine Zeitreise: Los geht's in den 1920er-Jahren, Ende der 60er ist Schluss. Der Besucher ist Statist bei der Inszenierung des Earl of March. Jährlich strömen über 100.000 Besucher zu der "Teeparty" auf das 5000 Hektar große Anwesen seiner Lordschaft, das Herrenhaus, Pferderennbahn, Flugfeld und Rundkurs beherbergt.

Das Ascot des Motorsports und Ausnahmezustand auf Englisch. Soll heißen: Ein stilvolleres Wochenende kann man auf der Insel nicht erleben, es sei denn, man ist bei der Queen zum Fünf-Uhr-Tee geladen. Und dass die Besucher zeitgenössische Kostüme tragen, hat nichts mit Maskerade zu tun, sondern ist eine Selbstverständlichkeit. "Der Lord wünscht es so." "In der Tat, meine Liebe, in der Tat."

Spielverderbern in Straßenkleidung zeigen strenge Blicke, dass man darüber nicht "amused" ist. Werkstätten, Fahrerlager, Kinderkarussell oder Schaubuden - alles hat in Goodwood Stil und Patina.

Bei dem Rummel vergisst man Männer und Maschinen, die sich auf dem Rundkurs messen und ihre Pretiosen über die Piste peitschen. So tauscht Nick Mason die Drums bei Pink Floyd gegen das Volant seines Ferrari und Mr. Bean Rowan Atkinson liefert sich ein Rennen mit Formel-1-Legenden oder Rallye-Urgesteinen. Unaufgeregt observieren die Damen mit Operngucker, die Herren mit Feldstechern das Geschehen. "Oh, die Nummer 53 ist im Kiesbett gelandet." "In der Tat, meine Liebe, in der Tat."

Dann werden Picknickdecken ausgebreitet, Sandwiches verspeist, und im Einklang knabbert man an Sellerie. Weniger Bodenständige schlürfen Champagner und denken ans nächste Mal. "Bemerkenswertes Wochenende, ist es nicht?" "In der Tat, meine Liebe, in der Tat." Wiederholungstäter sind nicht selten. Wohin soll man den feinen Zwirn sonst ausführen?