Wenn sich die Nebelschwaden langsam über der Halbinsel Monterey an der US-amerikanischen Westküste lichten, hebt sich an einem Sonntag im August der Vorhang für eine der größten Autoshows des Jahres. Für US-Moderator, Carguy und Stammgast Jay Leno ist es schlicht und einfach die beste der Welt. Der Concours d’Elegance in Pebble Beach ist ein Wettbewerb für automobile Schönheiten, der seinesgleichen sucht. Gerade einmal der Concours in der Villa d’Este am Comer See in Italien kann da mithalten, wenngleich er viel kleiner ist. Rund 200 Preziosen rollen an diesem Wochenende auf das Fairway in Kalifornien, um sich einer strengen Jury zu stellen.
Der erste Concours fand 1950 als Rahmenprogramm zum damaligen Pebble-Beach-Straßenrennen statt. Mit einer Ausnahme in 1960 hat die Veranstaltung jedes Jahr stattgefunden, ihr Reinerlös dient wohltätigen Zwecken. In den ersten Jahren wurden junge Gebrauchtwagen prämiert, bis sich die Veranstaltung einen Namen gemacht hatte und die Besucher begannen, das Tafelsilber auszupacken.
Pebble Beach ist das Mekka der Sonderanfertigungen, die einer Ära stammen, als Fahrzeuge von der Stange in besseren Kreisen höchst verpönt waren. Deshalb orderte man beim Autobauer seines Vertrauens ein fahrfertiges Chassis und ließ es vom Karosseriebauer der Stunde nach eigenen Vorstellungen einkleiden. Nicht selten wurde ein Entwurf nur einmal in Blech gehämmert. Namen aus längst vergangener Zeit wie Delage, Delahaye, Voisin, Isotta-Fraschini oder Hispano-Suiza liegen in der Luft. Dagegen sind Rolls-Royce und Bentleys beinahe schnöde Massenware.
Und in diesem einzigartigen Rahmen mit seinem Wagen den Gesamtsieg „Best in Show“ zu gewinnen, ist der Traum vieler sorgenfreier Autoafficionados. So etwas wie der heilige Gral für Oldtimersammler mit dem ganz, ganz großen Börserl. Familie Cassini ist das Kunststück sogar schon zwei Mal gelungen. 2004 mit einem 1938er Horch 853A Erdmann & Rossi Sport Cabriolet und 2013 mit einem 1934er Packard 1108 Twelve Dietrich Convertible Victoria. „Der zweite Sieg war emotionaler“, sagte Joseph Cassini der Dritte. „Das sind die olympischen Spiele unter den Autoshows. Und es ist etwas ganz besonderes wenn man bei den olympischen Spielen zwei Mal gewinnt.“
Wer sich in den Kopf gesetzt hat, einmal den Titel „Best in Show“ mit nach Hause zu nehmen, muss ein echter Enthusiast sein. Denn ihm stehen ähnliche Qualen bevor wie dem Trainer eines Spitzensportlers. Erst gilt es ein Automobil zu erwerben, dass so exklusiv, von so interessanter Geschichte oder technischer Finesse ist, dass es für einen Sieg beim Concours überhaupt erst infrage kommt. Dafür gibt es mittlerweile eigene Scouts - eine Art Kopfgeldjäger für die Creme de la Creme der Oldtimer.
Dann muss der Wagen quasi zum Training zu einem der Restaurationsbetriebe, die sich auf Pebble-Beach-Standard spezialisiert haben und wird dann in jahrelanger Arbeit, oft unter Verwendung alter Zeichnungen oder Fotos, in seinen Originalzustand versetzt.
Pebble Beach fordert Perfektion. Kritiker sehen darin einen Affront an die Originalität der Fahrzeuge — denn so gut wie nach einer Restauration auf dem geforderten Niveau waren sie neu nie. Erst 2001 wurde eine eigene Klasse für Autos im Originalzustand eingeführt, um dem Opfern unwiederbringlicher Patina Einhalt zu gebieten.
Doch selbst, wenn man bisher alles richtig gemacht hat, kann es passieren, dass es das Auto nicht einmal auf den heiligen Rasen von Pebble Beach schafft. Dafür muss man sich nämlich erst qualifizieren. Es gibt stets eine große Zahl an Anmeldungen, von denen jedoch nur ein Teil nach sehr strengen Kriterien zugelassen wird. Wen die Jury nicht einlädt, muss draußen bleiben.
Und dann steht vor dem Titel immer noch der Klassensieg. Die Fahrzeuge werden von der Jury nach den Kriterien Originalität, Funktionsfähigkeit und Eleganz bewertet. Die Preisverleihung erfolgt in einer Vielzahl von Klassen, in denen jeweils die ersten drei Plätze vergeben werden. Unter allen Klassengewinnern wird dann noch noch der Titel „Best of Show“ vergeben.
Die Qual der Wahl hat Chef-Juror Chris Bock mit ehrenamtlichen Juroren wie dem legendären Lamborghini-Testfahrer Valentino Balboni, dem kontroversen Ex-BMW-Designer Chris Bangle, Jaguars Chefschneider Ian Callum, Carguys wie Ex-Aston-Martin-Boss Ulrich Bez, Rennfahrerikonen wie Derek Bell, Jochen Mass, Sir Stirling Moss und Jackie Stewart, Konstrukteursgenie Gordon Murray, Denker und Lenker Bentley- und Bugatti-Boss Wolfgang Dürheimer und viele Hochkaräter aus der Branche mehr.
Sogar bei der Wahl zur Miss World dürfte es ruhiger zugehen - denn in Pebble Beach steht letztendlich auch jede Menge Geld auf dem Spiel. Denn die hochdekorierten Preziosen sind mit diesem Titel im Lebenslauf auf einen Schlag eine ganze Stange mehr Geld wert. So auch der Mercedes-Benz 680S mit einer Karosserie des französischen Karosseriebauers Saoutchik. Die Besitzer Paul und Judy Andrews ließen die frisch restaurierte Preziose beim Concours antreten, wo er den Titel „Best in Show“ einfuhr. Im Jahr darauf kam der Wagen in der Auktion in Pebble Beach um 8,25 Millionen Dollar unter den Hammer . . .