Es ist diesmal nicht bekannt, was und ob Tesla-Chef Elon Musk geraucht hat. Aber es war wohl wieder Zeit für einen Ausraster, diesmal in Sachen Corona-Maßnahmen in den USA: „Zu sagen, die Leute dürfen ihr Haus nicht verlassen, und werden verhaftet, wenn sie es tun? Das ist faschistisch. Das ist nicht demokratisch. Das ist keine Freiheit. Gebt den Leuten ihre verdammte Freiheit zurück.“ Davor hat er bereits auf Twitter geschrieben: „Free America now.“

Die Nervosität Musks ist verständlich. Sein Tesla-Kartenhaus bleibt eine fragile Konstruktion. Die Corona-Pandemie öffnet ihm aber eine einzigartige Chance, mit der die wenigsten gerechnet hätten. Noch vor Kurzem wurde Tesla als Übernahmekandidat gehandelt. Und gerade jetzt, da das Geschäft zu brummen beginnt, braucht Musk keine Erschütterungen am Spieltisch. Tesla weist zum ersten Mal drei Quartale hintereinander einen Überschuss aus. Die Autos verkaufen sich prächtig, selbst in China. Bis Ende März wurden heuer 88.500 Stück ausgeliefert, 40 Prozent mehr als im Vorjahr.

Musk hat mit Tesla Autos auf den Markt gebracht, die in diversen klassischen Tests in Sachen Verarbeitung oder Bremsen immer wieder für Kritik sorgten. Aber sein Kapital, das all diese Schwächen überstrahlt, liegt woanders: in der Software.

Und damit ist er jetzt auf der Überholspur. Im coronabedingten Überlebenskampf wird den großen, klassischen Herstellern in Börsenkreisen nicht zugetraut, dass sie diesen Rückstand bei der Software aufholen. Weil sie ihr Geld derzeit nicht in Investitionen in Software, Technik und Entwicklung fließen lassen, sondern ins Überleben der Firmen stecken müssen. Neue Modelle könnten sich verzögern, genauso wie elektrische Modell-Offensiven.

Volkswagen-Chef Herbert Diess bringt die Situation in einem von der Automobilwoche zitierten internen VW-Webcast so auf den Punkt: „Was mir am meisten Kopfzerbrechen macht, sind die Fähigkeiten bei den Assistenzsystemen. 500.000 Teslas funktionieren als ein neuronales Netz, das kontinuierlich Daten sammelt und den Kunden im 14-Tages-Rhythmus ein neues Fahrerlebnis bietet, mit verbesserten Eigenschaften.“ Das könne heute kein anderer Hersteller.

Tatsächlich hat Tesla etwa das Model 3 um einen riesigen Bildschirm in der Mitte gebaut. Das Auto ist bis ins letzte Detail digitalisiert (man kann über den Bildschirm das Handschuhfach öffnen) und bietet ein Nutzererlebnis, das Digital Natives fasziniert und Digital Oldies neugierig macht. Bis hin zum Traum vom autonomen Fahren und damit verbundenen Mobilitätsdiensten. Mehrere Hersteller (Ford, Audi) haben ihre Projekte zurückgestellt oder verschoben. Tesla will am Gas bleiben.

Während viele klassische Autobauer zuletzt Verluste in China – dem wichtigsten Weltmarkt – hinnehmen mussten und die chinesischen Elektro-Start-ups mit ihren dünnen Kapitaldecken ins Straucheln kommen, feiert Tesla auch hier gute Zahlen. Selbst der Tesla-Vertrieb, der auf den Online-Verkauf konzentriert ist, passt perfekt in die Coronazeit. Social Distancing scheint wichtiger geworden zu sein als die Frage, wie das Fahrwerk auf Extrembelastungen reagiert. Das kümmert die Tesla-Kunden anscheinend weniger. Aber es ist immer noch eines der Leitmotive der „alten“ Autoindustrie.

Mit all diesen Assets haben sich die Tesla-Aktienkurse zuletzt rund verdoppelt. Tesla ist wieder so etwas wie die Wette auf die Zukunft und aktuell mehr an der Börse wert (134 Milliarden Euro) als BMW, der gesamte Volkswagen-Konzern und Daimler zusammen (128 Milliarden Euro).

Wie dramatisch der Perspektivenwechsel ist, zeigt ein Vergleich: Im Vorjahreszeitraum hatte Tesla noch einen Verlust von 702 Millionen Dollar hinnehmen müssen. Da sind selbst die aktuellen 16 Millionen Dollar Quartalsgewinn 2020 ein Lichtblick.

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