Michael Jost ist so etwas wie der strategische Eisbrecher des Volkswagenkonzerns: Er steht für die Wette auf die Zukunft als E-Mobilitätskonzern. Sein Job als Leiter Konzern Strategie Produkt und Chief Strategy Officer der Marke Volkswagen – vulgo Chefstratege – impliziert einen hohen Reibebaumfaktor. Er muss ja nicht nur mal dem Vertrieb erklären, wie viele E-Autos verkauft werden sollen, oder einzelne Marken aufeinander abstimmen.

Seine Strategien, die er mit dem Vorstand entwickelt, müssen einen Industrietanker umdrehen, der 44.000 Fahrzeuge täglich produziert, der mit seinen Marken 130 Modelle anbietet, in 150 Märkten präsent ist, 100 Werke weltweit betreibt, ein Portfolio zwischen 60 und 1500 PS managt und dabei über 600.000 Menschen beschäftigt. Jost ist kein Weichspüler, seine Sätze haben Substanz, seine Aussagen sind Botschaften. Er kommt gern auf den Punkt: „Gleich sagen, wenn’s langweilig wird.“

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Wird’s nicht, so viel steht bei unserem Gespräch in Wolfsburg (vor Corona), in der Vorstandsetage, schnell fest. Jost entwickelt argumentativ ein Konstrukt, bei dem am Ende ein Wort steht: „Alternativlos“ sei die Transformation Richtung Elektromobilität. Mit dem Diesel-Gate war die Bereitschaft zum disruptiven Wandel auch entsprechend groß.

Die Klimaziele Paris 2050 seien laut Jost die echten „Gamechanger“ gewesen, die Erderwärmung müsse eingebremst werden. Der Volkswagenkonzern stößt rund zwei Prozent der globalen CO2-Emissionen/Verkehr aus, der Umkehrschub müsse entsprechend stark sein.

Man wollte dabei aber nicht nur Gesetze erfüllen, sondern Restriktionen auf eine visionäre Ebene heben. Und diese war plötzlich ganz nah: Wenn im Jahr 2050 die komplette Dekarbonisierung des Konzerns geschafft sein soll, dann muss das letzte Verbrennerauto nach den aktuellen Lebenszyklen rund um 2040 zugelassen werden.

Der Rest ist eine einfache Rechnung. Die Plattform für so ein Produkt erlebt zwei Modellzyklen, pro Zyklus hat ein Auto rund sieben Jahre. Das heißt, die letzte, echte Verbrennerplattform kommt 2026 auf den Markt. Als Jost das ein erstes Mal vorrechnete, legte der Boulevard die Ohren an. Dabei ist’s nur simple Modell-Mathematik. „Wir haben gesehen, man kann keine Kompromisse mehr machen“, sagt Jost trocken. Damit ist aber auch eines klar: VW hat sich für diese Wette auf die Zukunft entschieden. Es gibt kein Zurück mehr.

Der Systemwandel greift noch viel tiefer: Der Verbrauch auf 100 Kilometern hat ausgedient, es geht auch bei Volkswagen längst um eine Gesamterfassung der CO2-Emissionen von der Produktion bis zum Lebenszyklus des Autos. Das beginne bei der grundsätzlichen Einordnung, so Jost: Sechs Liter Diesel würden rund 100 km Reichweite entsprechen, aber auch einer Wärmeenergie von 60 Kilowattstunden. Und mit einer 60-Kilowattstunden-Batterie, so Jost, schaffe man 400 Kilometer Reichweite. Deshalb seien Diskussionen um die Sinnhaftigkeit der E-Mobilität entschieden.

Wichtig sei, dem Kunden ein Auto ohne CO2-Rucksack übergeben zu können, immerhin komme ein ID.3 auf mehrere Tonnen CO2-Emissionen (Batterieproduktion etc.) in seiner Produktion. Das will Volkswagen mit Maßnahmen gegen null reduzieren: Vom stärkeren Einsatz erneuerbarer Energien bei der Batterieproduktion über neue Materialien bis zu einer eigenen Fakultät, die VW gegründet hat, um Ideen zur Dekarbonisierung zu realisieren. Dazu laufen Projekte zum Waldschutz und Waldaufbau. Jost weiß, das sind Argumente. Aber sie müssen auch funktionieren und Ergebnisse bringen.

„Wenn es keine anderen Nachteile gibt, und man Bereiche wie die Infrastruktur im Griff hat, dann ist die E-Mobilität unschlagbar.“ VW setze auf skalierbare Batterien für unterschiedliche Reichweiten. Von einer Batterie für 800 Kilometer Reichweite hält er nichts: „Da fahren Sie mit zu viel Kapital und zu viel Gewicht herum, das bringt nichts.“

Die Bezahlbarkeit der Elektroautos bleibt ein heikles Thema. Ein ID.3 soll etwa gleich viel wie ein Diesel-Golf kosten.Aber die neuen Abgasnormen (Euro 7 etc.), um die gerungen wird, werden herkömmliche Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor empfindlich teurer machen: Bis 2000 Euro sind für einen Benziner, bis zu 4000 Euro für einen Diesel mit Euro 7 aufzurechnen, so Experten. Damit wird die E-Mobilität zwar relativ betrachtet günstiger, aber auch das ermöglicht nicht deren Massendurchbruch.

Josts strategische Antwort: Es wird an einem VW-Elektro-Citycar, das weniger als 20.000 Euro kosten soll, gearbeitet. Realisierungszeitraum? 2023/2024, mit einer Reichweite von 220 bis 250 Kilometern.

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