Der ID.3 von Volkswagen wurde als Golf der Elektro-Epoche gefeiert. Schon bei den ersten Präsentationen gab es jedoch Kritikpunkte. Die Materialien, die Software, die Elektronik ...
Deshalb hat man den ID.3 noch vor dem üblichen Modellwechselzyklus stark überarbeitet. Die Form wurde nachgeschärft (neuer Stoßfänger, LED-Matrix-Scheinwerfer optional), genauso das Heck, man sieht eine neu gestaltete Instrumententafel (größerer 12-Zoll-Bildschirm), spürt unterschäumte Oberflächen, auf Tier- und Ledermaterialien wird verzichtet, der Recyclinganteil der Sitze liegt bei 70 Prozent.
Augmented Reality ist selbstverständlich, genauso wie ein Travel Assist, der mit Schwarmdaten arbeitet und eine Software, die schneller agieren soll. Was fehlt, sind der oft geforderte beleuchtete Slider (Touchelement) und ein überarbeitetes Lenkrad – erst ab 2024 geplant. Der Startpreis beim ID.3 Life (44.390 Euro) sorgte dazu für Aufsehen. Silke Bagschik, Leiterin Vertrieb und Marketing Baureihe E-Mobility, erklärt alle Hintergründe ...
Steht es um den ID.3 so schlimm, dass man schon jetzt Veränderungen vornehmen muss?
SILKE BAGSCHIK: Im Gegenteil, wir sind mit der aktuellen Generation so ausverkauft, dass wir anfangen, die nächste Generation zu verkaufen. Richtig ist aber: So wie es war, hat es nicht unseren Anspruch erfüllt, daher haben wir jetzt schon was gemacht und das neue Modell vorgezogen. Vor allem im Interieur aber auch im Exterieur gab es Schwächen. Und wir haben hart daran gearbeitet, wichtige Punkte schnell zu verbessern. Im März 2023 wird die Premiere sein – ein Jahr früher als geplant. Und wir haben weitere Verbesserungen in der Pipeline. Wir wollten die Aufwertung jetzt nicht so lange zurückhalten, bis wir sie zu einer großen Geschichte kombinieren können. Wir wollten das, was wir fertig haben, im Sinn der Kunden auch schnell rausbringen. Wären wir nicht so autoverliebt, hätten wir gewartet.
Warum entschärft man nicht alle Kritikpunkte auf einmal?
Die Themen haben technisch bedingt andere Vorlaufzeiten. Der beleuchtete Slider lässt sich im ID.3 nicht vorziehen, in anderen Modellen wird er bereits im nächsten Jahr einsetzen können. Die zentrale Frage für uns war: Bringen wir das, was dem Kunden wirklich Verbesserungen bringt, schon jetzt, und den Rest, wenn es technisch und logistisch möglich ist? Wichtig ist, dass Kunden verstehen: Wir haben euch zugehört! Und schnell reagiert. Wir werden bei allen Modellen nachlegen, unseren Anspruch an Wertigkeit in jeden Volkswagen bringen.
Auch bei der Software ist man unter Verzug.
Beim Thema Software waren wir im ersten Schritt nicht da, wo Volkswagen sein sollte. Aber: Auch hier haben wir schnell gelernt. Das macht mittlerweile viel Spaß. Es macht Spaß, 300.000 Kunden und ihre Autos auf den letzten neuen Softwarestand zu bringen. Man kann sehen, wie die Fehler schnell weniger werden und die Statistiken deutlich besser. Es ist natürlich auch ein wenig Lernen mit Schmerzen. Aber es war ein absolut notwendiger Weg und er wird sich für alle lohnen.
Verzögert sich der E-Wandel?
Nein, das glaube ich nicht. VW bietet das breiteste E-Modellportfolio. Wir sind einfach in einer sehr turbulenten Zeit, wir kommen aus den Krisen gar nicht mehr heraus. Das hat die internationalen Lieferketten schon arg durcheinandergewirbelt. Was auch bedeutet, dass zum Teil Einstiegsmodelle gar nicht lieferbar sind.
Die Einstiegsmodelle haben ja nicht die gute Marge ...
Logisch konzentriert man sich auf die Autos, die eine höhere Marge haben, das kann einem keiner verdenken. Das bedeutet, dass wir mehr Volumen machen könnten. Aber weniger Volumen heißt auch, dass sich die Transformation etwas verlangsamt. Aber das ändert nichts daran, dass die E-Mobilität zur totalen Normalität wird. Und: Das Ladenetzwerk wächst.
Aber der Tarifdschungel bremst die Euphorie für die E-Mobilität.
Deshalb bringen wir zum Beispiel eine Ladekarte mit einem Tarif für das AC-Laden – egal, was im Hintergrund verlangt wird, der Kunde zahlt bei uns einen Preis. Es gibt einen Tarif ohne Grundgebühren und man kann zwei weitere Tarife wählen – einen für Leute, die öfter auch mal öffentlich in der Stadt laden und einen für Viel- und Langstreckenfahrer.
Spritpreise sind gesunken, Strompreise steigen. Kippt der Preisvorteil für das E-Auto?
Nein. In Summe muss es so sein, dass die Total-Cost-of-Ownership-Rechnung besser ist als beim Verbrenner. Man muss das mit allen Förderungen zusammenrechnen und transparent machen. Im Moment und auch auf Sicht ist das Elektroauto klar im Vorteil. Es ist wichtig, regulatorisch langfristig planen zu können, nicht immer nur von einer Legislaturperiode zur nächsten. Ich hätte gerne ein sicheres Elektro-Programm für zehn Jahre von der Politik, auch dass es ein gemeinsames Bekenntnis wie in Norwegen gibt, dass das E-Auto in der Total-Cost-of-Ownership günstiger als der Verbrenner bleibt. Es ist eine sehr unsichere Zeit, wir wissen nicht, wie sich Sprit- und Strompreise entwickeln.
Geht sich das angekündigte 20.000-Euro-Auto noch aus?
Der erste Schritt für Volkswagen ist, das E-Auto unter 25.000 Euro auf die Straße zu bringen. Das planen wir für das Jahr 2025. Das ist unsere Pflicht als Volkswagen. Wir können nicht nur teure Autos machen. Wollen wir darüber hinaus noch günstiger werden? Ja! Und wenn sich die Kosten wieder einrenken, die Krisen- und Spekulationseffekte nachlassen, dann wird das auch passen. Wir müssen auch aus Abhängigkeiten bei den Rohstoffen und Batterien rauskommen – auf dem Weg sind wir. Unsere Kapazitäten werden aufgebaut, auch das Recycling.
Glauben Sie, dass E-Mobilität ohne Förderungen funktioniert?
Ja, natürlich, wir rechnen unsere Fahrzeuge bereits ohne Subventionen. Unser Ziel ist es, Kosten weiter zu senken. Wir rechnen bis Mitte des Jahrzehnts durch die Euro-7-Norm mit einer Preis-Parität zwischen E- und Verbrenner-Modellen, sodass spätestens dann die E-Mobilität ohne Förderung funktionieren würde. Vorausgesetzt Krisen und Spekulationseffekte ebben ab oder werden regulativ abgefedert.
Didi Hubmann