Carola Strobl-Unterweger, geboren 1967, Verkehrspsychologin, Psychotherapeutin, Allgemein beeidete und gerichtlich zertifizierte Sachverständige, Universitätslektorin

Das sogenannte "Raserpaket" betrifft nur die Spitze des Eisbergs, wenn es um das Thema Geschwindigkeitsübertretungen im Straßenverkehr geht. Dass Fahrzeuge bei extremer Raserei versteigert werden, ist für diese Extremgruppe durchaus angebracht.

Geschwindigkeitsübertretungen sind jedoch nicht nur ein Verhaltensproblem der meist männlichen Fahranfänger. Die Diskussion zu dem Thema sollte sich deshalb nicht nur auf diese Zielgruppe und nicht nur auf die Versteigerung von Fahrzeugen beziehen.

Schnellfahren wird in Österreich immer noch als Kavaliersdelikt betrachtet und hat eine hohe soziale Akzeptanz. Das Bezahlen von Geldstrafen wird dabei von vornherein in Kauf genommen. Geringfügige Geschwindigkeitsübertretungen werden von einem Großteil der Bevölkerung nicht als Fehlverhalten wahrgenommen und mit positiven Gefühlen wie Freiheit und Dominanz assoziiert.

Die Verkehrssicherheitsforschung zeigt, dass viele erfahrene FahrzeuglenkerInnen die Risiken des schnellen Fahrens nicht richtig einschätzen. Begangene Geschwindigkeitsübertretungen werden fälschlicherweise als kontrollierbar erlebt. Häufig wird angenommen, dass das erhöhte Unfallrisiko aufgrund überhöhter Geschwindigkeit durch Fahrerfahrung und technisch gut ausgestattete Fahrzeuge ausgeglichen werden kann.

Aktuell sind Geldstrafen und Führerscheinentzugsdauer bei Geschwindigkeitsdelikten zwar angehoben worden, aus der Verkehrssicherheitsforschung wissen wir jedoch, dass Strafen alleine keine langfristige Einstellungs- und Verhaltensänderung bewirken.
Strafdrohungen wirken nur, wenn aufgrund entsprechend dichter Kontrolle damit gerechnet werden muss, dass man entdeckt wird.

Das ist im Straßenverkehr nur bedingt möglich. Das Ziel muss deshalb eine Veränderung von problematischen Einstellungen und Verhalten sein. Dafür wäre die gesetzliche Implementierung von Nachschulungen bereits bei geringeren Geschwindigkeitsübertretungen und Erstdelikten notwendig.

Für die Risikogruppe der Fahranfänger:innen kommen bereits neben Strafen auch bewusstseinsbildende Maßnahmen erfolgreich zur Anwendung. So werden Nachschulungen, bei Geschwindigkeitsübertretungen von mehr als 20 km/h im Ortsgebiet oder mehr als 40 km/h auf Freilandstraßen angeordnet.

Lange Zeit galt Alkohol am Steuer als Kavaliersdelikt. Doch höhere Strafen verbunden mit eben diesen bewusstseinsbildenden Maßnahmen bereits bei Erstdelikten haben die gesellschaftliche Einstellung und das Verhalten positiv verändert. Das zu erreichen, wäre mit den entsprechenden Maßnahmen auch bei dem Thema Geschwindigkeit möglich.

Gerald Kumnig geboren 1965 in Kärnten. Er ist Jurist und Arbö-Generalsekretär. Kumnig verfügt auch über umfangreiche Berufserfahrung im Banken- und Versicherungsbereich


Der ARBÖ unterstützt grundsätzlich alle Maßnahmen, die die Verkehrssicherheit erhöhen und zu weniger Verletzten, Toten und Leid führen. All die gesetzten Maßnahmen müssen sich aber im Rahmen der Verfassung bewegen. Und genau an diesem Punkt sehen wir beim kürzlich präsentierten letzten Teil des Raserpakets gewisse Probleme, die im Zuge der realen Umsetzung dieser Maßnahme wohl ehebaldigst schlagend werden könnten.

Demzufolge besteht die realistische Gefahr, dass mit dieser Novelle im Endeffekt nicht die Verkehrssicherheit erhöht, sondern bloß ein zahnloses Maßnahmenpaket geschnürt wird.

Die Beschlagnahmung von Eigentum ist ein massiver Eingriff ins Eigentumsrecht. Wenn der Staat Bürgerinnen und Bürgern Vermögenswerte wegnehmen möchte, müssen triftige Gründe vorliegen und alle gesetzten Maßnahmen verhältnismäßig sein. Es darf keine andere Maßnahme infrage kommen, um den Täter zu rechtskonformem Verhalten zu bewegen. Im konkreten Fall würde der Autobesitzerin oder dem Autobesitzer das Auto weggenommen werden, theoretisch wird sie/er aber nicht davon abgehalten, am nächsten Tag mit einem anderen Fahrzeug die gleiche Tat wieder zu begehen. Daher ist die Autobeschlagnahme der falsche Ansatz.

Ein weiterer Aspekt ist die Ungleichbehandlung: Jemand, der mit einem geliehenen oder geborgten Fahrzeuge eine derartige Geschwindigkeitsübertretung begeht, kommt mit einer Geldstrafe bzw. einem befristeten Führerscheinentzug davon. Wer die gleiche Tat mit dem eigenen Fahrzeug begeht, verliert zusätzlich auch noch einen hohen Vermögenswert.

Es ist zu befürchten, dass die tatsächliche Vollziehung dieser Maßnahme einer gerichtlichen Anfechtung nicht standhalten wird. Die Chancen dafür stehen gut, da der Rechtsrahmen im Verwaltungsstrafrecht derartig massive Eingriffe ins Eigentumsrecht nicht vorsieht.
Auch im europäischen Vergleich ist festzustellen, dass in Staaten, die derartige Grundrechtseingriffe vorsehen, diese von Gerichten angeordnet werden. In Österreich sind hierfür zunächst die Organe der Straßenpolizei zuständig, erst der Instanzenzug führt zum Verwaltungsgericht und somit zu einem Gericht im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Sinnvoller wäre es, wenn ein entsprechender Straftatbestand ins Strafgesetzbuch aufgenommen würde. Zum Beispiel könnte der vorhandene Tatbestand der Gefährdung von Leben, Gesundheit oder körperlicher Sicherheit im § 89 des Strafgesetzbuches adaptiert werden. Eine Abschreckung potenzieller Täter wäre durch Androhung eines gerichtlichen Strafverfahrens wohl eher zu erreichen als durch einen Vermögensentzug, der in den meisten Fällen nicht durchführbar sein wird.