Konzernvorstand Herbert Diess stellt in Deutschland 30.000 Arbeitsplätze aufgrund der einfacheren E-Auto-Produktion infrage. Wie bewerten Sie die Situation?

RALF BRANDSTÄTTER: Es steht außer Frage, dass wir uns angesichts der neuen Marktteilnehmer mit der Wettbewerbsfähigkeit unseres Werks in Wolfsburg befassen müssen. Tesla in Grünheide wird neue Maßstäbe in der Produktivität und bei den Skalen setzen. Mit dem Projekt Trinity haben wir die Chance, den Standort Wolfsburg zu revolutionieren und Arbeitsplätze nachhaltig abzusichern. Die Debatte ist jetzt angestoßen und es gibt bereits viele gute Ideen. Konkrete Szenarien gibt es nicht.

Ist der Weg zur E-Mobilität, den Sie beschreiten, unumkehrbar?

BRANDSTÄTTER: Wir schaffen Fakten, die Transformation ist unumkehrbar. Die Zukunft der individuellen Mobilität ist der batteriebetriebene Elektro-Antrieb; insbesondere mit Blick auf unsere Verpflichtung, den Klimawandel zu begrenzen. Für unsere Transformation haben wir uns konkrete Meilensteine gesetzt. Bis 2030 wird der Elektro-Anteil am Gesamtabsatz in Europa auf 70 Prozent steigen. Wir bringen jetzt jedes Jahr ein neues E-Modell auf den Markt.

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Aber die Preise für die E-Mobilität sind nach wie vor hoch.

RALF BRANDSTÄTTER: Schon der ID.3 ist heute im Preis mit einem Golf Diesel vergleichbar. Zudem haben wir vor Kurzem den ID.Life vorgestellt. Das Showcar gibt einen Ausblick auf ein ID.-Modell im Preissegment um 20.000 Euro. Dieses Auto unterstreicht unser Versprechen E-Mobilität für alle anzubieten. Trotz Klimawandel soll es weiter vielen Menschen möglich sein, individuelle Mobilität zu erleben

Die E-Mobilität funktioniert nur mit der Energiewende und grünem Strom – aber wir haben nicht einmal eine ausreichende Infrastruktur bei den Stromnetzen und Ladestationen.

BRANDSTÄTTER: Ich kann nur für Deutschland sprechen. Wenn wir alle Autos umstellen, ist der Strombedarf rund sechs Prozent höher. Das ist kein Problem. Aber E-Autos bringen wenig, wenn sie mit Kohlestrom geladen werden: Deshalb muss die Energiewende im gleichen Takt mit dem Wechsel auf E-Autos laufen. Das Gleiche gilt für das Laden. Wir haben 55.000 Ladepunkte in Deutschland, wir brauchen aber mindestens 300.000.

Fühlen Sie sich von der Politik im Stich gelassen? Einerseits müssen die Autokonzerne CO2-Ziele erfüllen – andererseits sorgt die Politik nicht für Infrastruktur.

BRANDSTÄTTER: Die Automobilindustrie kann den Aufbau der Ladeinfrastruktur nicht alleine stemmen. Die größten Herausforderungen liegen derzeit im innerstädtischen Bereich. Hier müssen sich die Kommunen, die Politik, schnell Lösungen entwickeln und den Ausbau der Ladestationen vorantreiben. Klar ist, das Gesamtsystem müssen wir gemeinsam entwickeln.

In der Politik werden Stimmen laut: Die Autokonzerne machen Milliardengewinne. Warum werden die Konzerne bei der Finanzierung der Ladeinfrastruktur nicht stärker zur Kasse gebeten?

BRANDSTÄTTER: Die Automobilindustrie leistet ihren Beitrag. Der Aufbau eines europaweiten Ladenetzes ist aber eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, zu der alle beitragen müssen, die an der Energiewirtschaft beteiligt sind.

Der Begriff bilanziell CO2-neutral für neue E-Autos klingt manchmal fast zu gut, um wahr zu sein. Weil Aktionen, die diese CO2-Neutralität sicherstellen sollen – etwa Dschungel-Aufforstungen – nicht aufgehen. Auch VW war betroffen. Ist das alles zu sehr Marketing-getrieben?

BRANDSTÄTTER: Absolut nicht, denn wie auch bei der Elektromobilität haben wir für das ganze Unternehmen klare Meilensteine gesetzt, um CO2-Emissionen zu reduzieren. So haben wir die Energieversorgung unseres Werkes in Zwickau auf Grünstrom umgestellt. Das gilt auch für die Batteriefertigung unseres Lieferanten. Das lässt sich nachvollziehen. Ein Teil aus der Wertschöpfungskette – Stahl, Alu, Kupfer – hat aber natürlich einen schwer reduzierbaren CO2-Fußabdruck. Diesen kompensieren wir im Moment mit Zertifikaten renommierter Partner, die auch nachprüfbar und zertifiziert sind.

Unter den Kunden schwelt ein Glaubenskampf. Auf der einen Seite wird die E-Mobilität verherrlicht, auf der anderen verdammt. Gibt es nicht Alternativen?

BRANDSTÄTTER: Die Batterietechnologie ist einfach der effizienteste Weg. Natürlich haben wir auch Alternativen wie den Wasserstoffantrieb untersucht. Zunächst einmal ist die Produktion von Wasserstoff sehr teuer. Noch dazu ist die Verwendung von Wasserstoff im PKW viel ineffizienter als gleich und direkt grünen Strom zu verwenden Denn sie müssen dreimal so viel grünen Strom für die Wasserstoffproduktion aufwenden, um die gleiche Kilometerleistung eines E-Autos zu erreichen, das direkt den grünen Strom lädt.

Stimmt es, dass wir 2030 rund 10 bis 15 Prozent autonome Autos auf der Straße sehen?

BRANDSTÄTTER: Wir gehen davon aus, dass zwischen 2026 und 2030 der nächste Schritt für das autonome Fahren möglich sein wird. Dann erreichen wir Level 4. Damit übernimmt der Computer beispielsweise auf der Autobahn weitestgehend alle Fahreraufgaben. Erlebbar wird das erstmals in unserem Projekt Trinity, das 2026 auf den Markt kommen wird. Wir nennen Trinity auch unsere Zeitmaschine. Weil das autonome Auto dem Fahrer Qualitätszeit zurückgeben wird. Natürlich macht Autofahren auch Spaß. Aber es gibt auch Strecken, da lässt man sich lieber vom Autopiloten fahren, der alle Funktionen übernimmt – und man muss sich keine Sorgen machen, weil der Computer besser fährt als der Mensch.

Für das autonome Auto benötigt man eine Software, die bedingungslos funktioniert. Volkswagen hatte erhebliche Probleme. Wie tief sitzt die Enttäuschung?

BRANDSTÄTTER: Wir hatten eine steile Lernkurve zu bewältigen. Wie wir Autos entwickeln, die Qualität, die Zuverlässigkeit, der Fahrkomfort, das ist schon immer ein wesentlicher Teil unserer Volkswagen-DNA gewesen. Wie wir Software entwickeln und integrieren, das mussten wir erst lernen. Heute haben wir diese Kompetenz. Alle unsere ID-Fahrzeuge können mittlerweile wie ein iPhone über das Mobilfunknetz mit einer neuen Software bespielt werden. Zukünftig werden wir das in einem Zwölf-Wochen-Rhythmus anbieten. Wir wollen bei einem der nächsten Updates beispielsweise die Ladeleistung verbessern oder neue Funktionen einspielen. So bleiben die Fahrzeuge stets auf dem neuesten Stand und die Restwerte stabiler.

Es gab Kritik am Interieur, oder am nicht immer wie gewünscht funktionierenden Slider für bestimmte Funktionen. Wie gewinnt man das Vertrauen zurück?

BRANDSTÄTTER: Wir nehmen die Rückmeldungen unserer Kunden sehr ernst, wir hören ihnen zu und arbeiten kontinuierlich daran, unsere Fahrzeuge zu verbessern. Dafür steht unsere Organisation, dafür stehe ich. Wir werden Schritt für Schritt zeigen, dass dies im Produkt auch umgesetzt wird.

Wird der Slider überleben?

BRANDSTÄTTER: Ja, er wird beleuchtet und zusätzliche Funktionen erhalten. Außerdem wird die Sprachbedienung schon zum Jahresende deutlich verbessert.