Es ist das bedeutsamste Modell von Mercedes, ein Leitstern für die nächsten Jahre. Weil es vieles vorwegnimmt von dem, was auf uns zukommt. Der EQS gehört in seiner fahrerischen Perfektion und dem geradezu unglaublichen Komfort – so viel Superlative muss sein – zu den besten Autos der Welt. Und doch ist gerade das Autofahren nach zwei Testtagen nur noch die wichtigste Nebensache der Welt. Denn der EQS macht das Autofahren, so wie wir es kennen, letztlich überflüssig.
Voll automatisiertes Fahren, das ist das Einzige, was uns hier noch fehlt. Level drei des autonomen Fahrens (bis 60 auf der Autobahn/Stau, man darf dabei fernsehen, lesen etc.) kommt im elektrischen EQS 2022, die nächsten Schritte bis zum vollautonomen Erlebnis sind in den nächsten Jahren absehbar. Der EQS gleicht letztlich mehr einem Meditationsraum als einem herkömmlichen Auto. So weit sind wir gekommen.
Drei Bildschirme, über die volle Breitseite
Fahren wir einmal los: Die Türgriffe kommen einem entgegen, wenn man sich mit Schlüssel in der Tasche nähert. Man setzt sich ins Auto, zieht nur kurz am Türhebel, die Tür schließt sich von selbst. Digitale Zeitgeister öffnen das entsprechende Programm auf dem mittleren Bildschirm. Über horizontale Wischbewegungen kann man Türen öffnen und schließen.
Ein kurzer Moment der Orientierung: „Hey Mercedes!“ – „Was kann ich für dich tun?“ – „Massage starten!“
Ein bissl Entspannung tut gut, bevor man ins Detail geht. 1,41 Meter ist der Bildschirm breit, unterteilt in drei Einheiten: Cockpit, zentraler Bildschirm, Beifahrerbildschirm (dieser ist getrennt bedienbar). Oled-Technik verbirgt sich hinter dem leicht gebogenen und speziell behandelten Riesentouchscreen, inklusive Hightech-Einsatz gegen das Oled-„Einbrennen“ von Inhalten auf dem Bildschirm.
Künstliche Intelligenz
Die Technik würde schon so manchem Laptop zur Ehre gereichen: Acht Rechenkerne, bis zu 24 GB Arbeitsspeicher, die Touchflächen vermitteln ein haptisches Feedback, zwölf Aktuatoren senden Rückmeldungen über den ganzen Bildschirm. Der von Mercedes sogenannte Hyperscreen ist hyper, hyper, hyper, wenn man die Techno-Hymne in dem Zusammenhang zitieren darf. Kein Tesla, kein Polestar (trotz exzellenter Google-Software) kann bei dieser Show mithalten.
Und erst die Tiefenschärfe bei den Programmen. Ladestation gesucht, Preise, Vertragsmöglichkeiten, alles wird eingespielt – das Auto spinnt sich wie ein Informationskokon um den Fahrer, der sitzt am Wattebausch der Luftfederung und wundert sich, wie das Auto mitdenkt.
Einzelne Gesten, sich wiederholende Tätigkeiten (etwa, wenn man das Auto bei der Heimfahrt regelmäßig bei einer Baustelle mit der Luftfederung höherstellt) merkt sich die Software und beginnt mit der Zeit, diese Funktionen automatisiert anzubieten, ohne dass der Fahrer etwas tun müsste. Es werden einfach neue Menüpunkte angezeigt, ein Sprachbefehl oder eine Wischbewegung am Touchscreen reicht.
Dass das Head-up-Display – ja, das gibt es auch noch – mit Augmented Reality Pfeile etc. für die bessere Navigation einspielt, versteht sich von selbst.
Mit einer Vielzahl von Maßnahmen (von der Front über die Felgen bis zum scharf abgeschnittenen Heck) schafft der EQS einen sensationellen Luftwiderstandswert. Lärm, gefiltert durch Dämmglas oder reduziert durch entkoppelte Motoren, ist nicht zu vernehmen. Es gibt mehr Platz als in der S-Klasse.
Mit Corona-Filter
Als Tribut an China darf der Hepa-Filter gelten: Den Platz für Gepäck unter der Motorhaube (die kann man nicht öffnen) nimmt sich ein Hepa-Filter, der so feinmaschig ist, dass er sogar Coronaviren filtern soll.
Elektrische Fahreindrücke? Die 107-kWh-Batterie (netto) soll je nach Motorisierung für 780 (245 kW-E-Motor) und 660 km (385-kW-E-Motoren/Allrad) reichen. Wir schafften zwischen 17,5 kWh und 21,5 kWh/100 km im stärkeren EQS. Vier Rekuperationsstufen sind möglich, alles funktioniert so selbstverständlich.
Vor allem, wenn man die intelligente Navigation (mit)fahren lässt und diese das Auto vorausschauend timt. Das Auto denkt, das Auto lenkt, sozusagen.
Didi Hubmann