Die neuen CO2-Vorgaben der EU lösen eine Kaskade an Folgeentscheidungen aus, die Arbeitsplätze genauso wie den Technologiewandel betreffen. Wie geht Skoda mit dem ganzen Veränderungsprozess um, welche Konsequenzen zieht man?
THOMAS SCHÄFER: Wir investieren 500 Millionen Euro in Schulungen oder Trainings bis 2030, um unsere Mitarbeiter in diese neue Welt zu führen. Wir haben spezielle Programme in den Fabriken und Einrichtungen, die kein anderer Autohersteller hat: von der eigenen Universität in Mladá Boleslav bis zur Berufsschule. Wichtig: Wir wollen wachsen ohne zu wachsen, indem wir Bürokratie abbauen und Komplexität reduzieren. Diese Menschen, die wir so freispielen, wollen wir bewusst in die neue Welt der Mobilität integrieren.
Das heißt, es kommt nicht zum von vielen Experten vorhergesagten Jobabbau durch den Wandel und durch die E-Mobilität?
Es wird auf lange Sicht vermutlich sogar mehr Arbeitsplätze geben, weil wir einen hohen Bedarf für die neuen Geschäftsmodelle sehen. In Zukunft wird es einen hohen Bedarf an Software-Ingenieuren geben, weil wir Dienste rund ums Auto anbieten werden und das Auto selbst über den gesamten Lebenszyklus modern halten, eben mit Softwareupdates. Heute denken wir ja so: Wir verkaufen ein Auto, dann gibt es die Serviceleistungen. In Zukunft ergibt sich für die Industrie eine gute, neue Perspektive: vom heutigen Ansatz immer effizienter das Blech zu biegen, auf ein ganz neues Potenzial mit Geschäften rund um das Fahrzeug. Es geht jetzt aber erst einmal nicht darum Menschen zusätzlich einzustellen, sondern bestehende Mitarbeiter für die neuen Herausforderungen zu transformieren. Die Menschen erwarten und umarmen ja auch das Neue.
Sie sprechen mit den neuen Geschäftsmodellen Funktionen an, die man in Zukunft für eine gewisse Zeitspanne kaufen kann: Etwa autonom zu fahren oder mehr Leistung fürs Wochenende abzurufen.
Ja, genau. Ich vergleiche das gerne mit Nespresso: Die Kaffeemaschine selbst hat einen gewissen Preis, aber über den Lebenszyklus gesehen verdient man das Geld über den Verkauf von Kapseln. Das ist grundlegend anders als unser heutiges Geschäftsmodell.
Weil die Serviceleistungen bei E-Autos erheblich zurückgehen, sind Sie geradezu gezwungen in diese Richtung umzudenken.
Es geht um neue Geschäftsmodelle, über die Sie sich neue Profitpools erschließen, die es bisher nicht gab. Das war früher technisch nicht möglich. Amazon Prime ist ein gutes Beispiel in dem Zusammenhang. Der Stick kostet fast nichts, aber das Abo. Ein Beispiel aus der Autowelt ist der sogenannte PowerPass von Skoda, der das Laden eines elektrifizierten Skodas einfach und bequem macht. Er wird in über 30 Märkten verfügbar sein und lässt sich an mehr als 210.000 Ladepunkten in Europa verwenden. Mit solchen Innovationen differenzieren wir uns in Zukunft, nicht über einen Wendekreis. Simply clever, 2.0, sozusagen.
Das ist auch notwendig, denn die Autos aller Marken fahren sich immer ähnlicher, weil sie auf gleichen Konzernplattformen stehen.
Das sehe ich nicht so. Unser E-Auto, der Enyaq iV, ist ein gutes Beispiel. Er hat ein sehr eigenständiges Design und bietet ein überragendes Platzangebot – eine typische Skoda-Tugend, die wir im E-Zeitalter neu definieren. Ob man aber in Zukunft noch – überspitzt formuliert – mit 170 km/h der Beste bei der Kurvenlage sein muss, glaube ich nicht unbedingt.
Die Corona-Pandemie hat alles verändert, dennoch erlebt die Autoindustrie einen spürbaren Aufschwung, man scheint aus dem Gröbsten heraus. Orten Sie noch Bedrohungsszenarien?
Ich hoffe, dass es uns nicht wie im Vorjahr ergeht, da dachte man im Sommer zuerst, Corona sei vorbei – und dann der Schock mit hohen Zahlen und den Folgen. Wir hatten teilweise über 1000 Menschen, die uns in den Fabriken gefehlt haben, pro Tag! Dass wir da noch Autos produzieren konnten, überrascht mich heute noch.
Das Thema der Stunde ist das Aus für den Verbrennungsmotor. Die EU hat neue, drastische Ziele vorgegeben.
Bisher wurden immer unterschiedliche Termine genannt, jetzt begrüße ich die klaren Vorgaben. Das „Fit for 55“-Paket zeigt, dass die Kommission den Ernst der Lage erkannt hat und nun den Green Deal von der Theorie in die Praxis überführt. Für uns ist die angestrebte CO2-Neutralität eine große Chance. Gleichzeitig ist klar, dass wir in bestimmten Regionen außerhalb Europas Verbrenner über 2030 hinaus haben werden, weil die Entwicklungen unterschiedlich rasch vorangehen. Deshalb ist es vermessen zu sagen, 2035 ist es mit dem Verbrenner weltweit ganz vorbei.
Selbst grüne Politiker sind sich bei dem Thema nicht immer einig: Der grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, soll sinngemäß gesagt haben: Wer bei Fahrzeugen mit der Abgasnorm Euro 7 skeptisch ist, muss auch bei jeder Almhütte eine eigene Kläranlage einfordern. Wird der aktuelle, und vor allem der zukünftige Verbrennermotor mit der Euro-7-Norm ungerecht behandelt?
Fakt ist: Die neuen Verbrennungsmotoren, die die Euro-7-Norm erfüllen, sind hocheffizient und sauber. Klar ist jedoch auch: Die Kosten für Abgasreinigung sind dermaßen hoch, dass das bei manchen Modellen nicht mehr wirtschaftlich sein wird. In den unteren Fahrzeugklassen wird das elektrische Fahrzeug schnell günstiger sein als der Verbrenner. Der Diesel wird aus bestimmten Klassen ganz verschwinden. Dazu kommt die gesellschaftliche Stimmung: Du fährst noch Verbrenner? Das ist wie früher Rauchen im Flugzeug – heute ist das undenkbar. Ich denke, diese Entwicklung wird beim Verbrennungsmotor durch den sozialen Druck beschleunigt.
Aber es hapert an der Ladeinfrastruktur und das hemmt die gesamte E-Mobilität.
Die ganze Infrastruktur-Diskussion erinnert mich an die Geldautomaten-Diskussion in den 1980er-Jahren. Damals musste man weit fahren, um einen Geldautomaten zu finden. Heute ist der Aufbau der Ladeinfrastruktur ein Geschäftsmodell, das Thema wird sich in den nächsten fünf Jahren erledigen, weil Firmen mit Ladesäulen Geld verdienen können. Die Frage ist eher, wie stabil sind die Netze, halten die das aus?
Gibt es Restzweifel an der E-Mobilität?
Nein.
Mit ihrem internationalen Blick: Was hat Corona mit der Autowelt gemacht?
Unser Unternehmen hat an Agilität und Flexibilität gewonnen, wir haben Dinge schneller entschieden. Das behalten wir bei. Gleichzeitig war Corona auch ein Booster für Umweltschutz, Nachhaltigkeit und die digitale Transformation. Früher war man mindestens einmal pro Woche im Flieger, heute ist das viel seltener der Fall – und es geht trotzdem.
Sie haben von Südafrika bis Tschechien gearbeitet, wie haben Sie die internationalen Erfahrungen verändert?
Es ist das größte Geschenk in meinem Berufsleben, dass ich so international arbeiten kann. Auch wenn es für die Familie natürlich schwierig ist. Besonders Afrika hat mich da geprägt. Man macht andere Erfahrungen, etwa, wenn es einmal kein Wasser gibt, weil es monatelang nicht geregnet hat. Auch solche Erfahrungen möchte ich nicht missen. Wenn man einmal im Ausland war, ist vieles anders, man sieht sonst ja gerne alles aus der mitteleuropäischen Perspektive.
Sind Sie durch diese Erfahrungen letztlich gelassener geworden?
Ja, auch. Man muss nicht jeden Tag in Panik verfallen, nur weil nicht immer gleich alles glatt läuft. Wenn man einmal um sein Leben gefürchtet hat, weil man bedroht wurde, dann ist es nicht so ein Drama, wenn einmal ein Teil in der Produktion kurzfristig fehlt, wie in der aktuellen Halbleiterkrise. Umso stolzer macht es mich, wie die Skoda-Mannschaft damit umgeht – hochflexibel und mit einem tollen Teamgeist. Das macht einen trotz der Probleme stolz, es ist eben alles nur eine Frage der Perspektive.
Didi Hubmann