In Dubrovnik wurde Automobilgeschichte geschrieben: "Es ist ein fantastischer Tag für alle Liebhaber des Automobils," sagt Porsche-Chef Oliver Blume euphorisch in einer ersten Stellungnahme.
Der Kroate Mate Rimac, auch der Elon Musk Europa genannt, gibt volley retour: "Ich habe die E-Mobilitätsfirma Rimac vor 12 Jahren in einer Garage gegründet. Klar ist: Ich bin nicht interessiert Bugatti gleich weiter zu führen und hinten einen Hybrid draufzukleben: Wir werden ein intelligentes, neues Produkt aufbauen, stark elektrifiziert. Wir haben gelernt sehr viel mit sehr wenig zu machen, Porsche sehe ich als großen Bruder, der uns helfen kann."
Und: "Es wird in Zukunft vollelektrische Bugatti-Modelle geben, mittelfristig elektrifizierte Modelle, die man so nicht auf dem Markt kennt." Also eine neue Form der Hybridisierung.
Pragmatisch betrachtet klingt der Deal so: Porsche und Rimac gründen das Joint Venture Bugatti-Rimac: 55 Prozent hält Rimac, 45 Prozent Porsche, die ihrereseits mit 24 Prozent an Rimac beteiligt sind. Die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens mit Hauptsitz in Kroatien ist für das vierte Quartal 2021 vorgesehen.
Revolutionärer Schritt
Was so nüchtern klingt, ist in Wahrheit ein revolutionärer Schritt. Man muss weiter ausholen, um die ganze Tragweite zu erfassen. Mate Rimac hat es in den letzten 12 Jahren geschafft, aus dem Nichts ein E-Mobilitätsunternehmen aufzubauen, das E-Räder genauso baut wie viel beachtete fast 2000 PS-starke-Elektro-Hypercars.
Die Technologie ist so smart, dass sich Porsche oder Hyundai an der Firma beteiligt haben und Autokonzerne aus aller Welt technische Entwicklungen bei Rimac in Auftrag geben. Nicht vergessen darf man im Hintergrund auch die Kostenstruktur. Eine Hypercar-Entwicklung kostet in Deutschland das zwei- bis dreifache - im Vergleich zu Rimac.
Und diese Firma Rimac, mit knapp 1000 Mitarbeitern, übernimmt nicht nur ein (vielleicht nicht immer geliebtes) Herzstück des Volkswagen-Konzerns, sondern Rimac soll die Kultmarke der Benzinbrüder, Bugatti, elektrifizieren.
Legende, Pleiten, Abstürze
Bugatti, die Legende, 1909 von Ettore Bugatti gegründet. Über Generationen bekannt für seine erfolgreichen Rennautos und atemberaubenden Sportwägen, und seine Ingenieurskunst. Man gewann den ersten GP von Monaco, man gewann Le Mans, in den ersten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts, als die Verbrennungsmotoren die Welt eroberten.
Genauso bekannt wurde man aber für Pleiten und Abstürze, die Marke musste mehrmals wiederbelebt werden.
Zuletzt um die Jahrtausendwende von Ferdinand Piech und dem Volkswagen-Konzern.
Piech hatte auf einer Zugfahrt im Shinkansen-Express zwischen Tokyo und Nagoya 1997 einen 18-Zylinder-Verbrennungsmotor auf einem Briefumschlag skizziert - seine motorische Vision. Inhaltlich wollte Piech das erste Hypercar des neuen Jahrtausends realisieren.
Damals war von Bugatti außer der Marke und einer leeren Fabrik übrigens nicht mehr viel übrig.
Der atemberaubende Neubeginn
Der erste Hypersportwagen der Neuzeit wurde trotzdem aus der Piech-Vision geboren. Anfang der 2000er-Jahre kam der Bugatti Veyron auf die Bühne. Mehr als 1000 PS leistet der 16-Zylinder-Verbrennungsmotor, über 400 km/h schnell. Der Traum aller Petrolheads, bis heute liefert Bugatti verlässlich millionenschwere Derivate an Kunden wie Christiano Ronaldo. Jenseits der 1500 PS leisten die Verbrenner heute, Spezialmodelle kosten schon einmal zehn Millionen Euro pro Stück.
Und jetzt, 2021 soll alles vorbei sein?
Geht es nach Porsche und Rimac ist es keine Ende, sondern ein genauso spektakulärer Neustart wie unter Ferdinand Piech. Denn das Piech-Herzstück passte zuletzt nicht mehr ins Portfolio eines Konzerns, der sich wie kein anderer der E-Mobilität verschrieben hat und laufend Ablaufdaten für Verbrennungsmotoren veröffentlicht. Außerdem bringt der Volkswagen-Konzern so eine Kostenstelle weiter. Eine Hypercar-Entwicklung kostet in Deutschland das zwei- bis dreifache – im Vergleich zu Rimac. Trotzdem bleibt man über Porsche mit Piechs Herzstück Bugatti verbunden.
Der Elektro-Guru aus Kroatien
Hier kommt Mate Rimac ins Spiel. Die Legende erzählt, dass er, weil sein Verbrenner-BMW bei Drift-Wettbewerben streikte, einfach einen E-Motor eines Gabelstaplers einbaute - und so zu einem Youtube-Star wurde.
Aus dem Nichts baute der ehemalige Petrolhead dann eine E-Mobilitäts-Manufaktur auf, die lange belächelt wurde – und einmal knapp vor der Pleite stand. Mit Entwicklungsaufträgen für mehrere bekannte Autofirmen - etwa Porsche - überlebte man die Krise.
Heute gehören Kunden wie Hyundai, Aston Martin, Jaguar, Cupra, oder auch Magna und Renault zum Klientel von Rimac. Und man baut Super-E-Sportwägen, der neue Nevera soll über 1900 PS (1400 kW) leisten, samt 2360 Nm Drehmoment (2 Millionen Euro pro Stück). Dazu kommt elektrisches Technik-know-How für andere Firmen.
Radikale Entwicklungen
Deshalb war der Schwenk, den Porsche-Chef Oliver Blume Richtung Rimac vollzog, nur logisch. Bei Porsche betont man: "Wir wollten nie einen Mehrheitsanteil an Rimac haben, weil wir die Firma als eigendständigen Kooperationsparter brauchen, mitsamt anderer Herangehensweise an die technologischen Herausforderungen."
Mate Rimac hatte Porsche übrigens schon mit seinen Ideen zum Plug-in-Panamera beeindruckt.
Die Planung? Mate Rimac wird die Bugatti-Modellpalette wohl erweitern, zu vielfältig sei das Bugatti-Portfolio. "Wir haben die neue Firma aus Leidenschaft für Automobile gegründet, nicht zum Austausch von Gleichteilen zwischen Rimac und Bugatti. Wenn wir teilen, dann nur Komponenten, die der Kunde nicht sehen kann, wie Lenksysteme."
Rimac abschließend: "Wir werden radikale Neuentwicklungen zeigen."
Didi Hubmann