Automatikfahren – das ging hierzulande jahrzehntelang eigentlich gar nicht, galt als unsportlich und einfach nur fad. Während in den USA oder Japan seit jeher Kuppeln und Schalten die Ausnahme sind, dümpelte in unseren Breiten der Anteil von Automatikgetrieben lange Zeit im einstelligen Prozentbereich vor sich hin. Auch mit den stufenlosen, aber nervig winselnden CVT-Getrieben wollten sich die Europäer partout nicht anfreunden.
Heute ist freilich alles ganz anders. Längst ist die Automatik dabei, dem Schalter den Rang abzulaufen. Spricht sich in Deutschland bereits weit über die Hälfte aller Neuwagenkunden gegen ein händisches Sortieren der Gänge aus, orderten in Österreich im Vorjahr immerhin schon 42 Prozent ihre Autos mit Automatik. Tendenz: stark steigend. Vor fünf Jahren waren es noch 22 Prozent.
Die Trendwende wesentlich beschleunigt haben die blitzgescheiten elektronisch gesteuerten Wandlerautomaten und das Doppelkupplungsgetriebe, das erstmals unter der Bezeichnung Direktschaltung (DSG) von Volkswagen 2003 in Großserie eingeführt wurde.
Die neue Generation räumte auf mit allen Vorurteilen, zähmt mit bis zu zehn Stufen den Spritdurst (teilweise weniger Verbrauch als beim Schalter) und wechselt in der Kombination mit Fahrprogrammen über griffige Schaltwippen die Gänge nicht nur schneller, sondern intoniert den Vorgang bei Bedarf auch noch entsprechend mit Auspuffsound. Die Handarbeit kommt zunehmend aus der Mode, und wird von Volumens-Herstellern fast nur noch in den unteren Fahrzeugsegmenten und bei günstigen Einstiegsmodellen angeboten.
Bei Premium-Anbietern wie Mercedes und BMW gerät der klassische Handschalter immer mehr zum Exoten in der Modellpalette, in manchen Baureihen geht der Automatikanteil gegen 100 Prozent. Mercedes hat gerade erst angekündigt, dem beherzten Griff in die Zahnräder langsam, aber sicher ein Ende zu bereiten. Auch bei Sportwagen-Hersteller Porsche kommt die Handarbeit abhanden, Siebengang-Schalter sind fast nur noch in Sondermodellen zu haben.
Für Walter Röhrl ein logischer Schritt. "Bei Sportwagen braucht man beide Hände am Lenkrad. Überhaupt gibt es keinen Grund mehr, ein Auto mit Handschaltgetriebe zu fahren. Der Schalter wird eine Sache für Freaks bleiben. Die Automatik ist ein Segen im Stop-and-go-Verkehr und ein Gewinn an Komfort und Sicherheit", so Röhrl.
Den endgültigen Garaus für den Schaltknüppel bereitet das Elektroauto. Einem Stromer reicht bekanntlich ein Ein-Gang-Getriebe zur zügigen Fortbewegung. Schon dem ersten Automobil mit Verbrennungsmotor, dem Patent-Motorwagen Nummer 1 von Carl Benz, genügte 1886 ein Gang. Womit sich der Kreis schließt.
Für ein Leben nach dem Tod werden die Gebrauchtwagen sorgen und die Oldtimer ohne Ablaufdatum. Dort wird das Schaltgetriebe in den Kultstatus erhoben werden, mit zweimal kuppeln und Zwischengas und gegebenenfalls mit dem legendären Spruch vom Beifahrersitz aus: Einen schönen Gruß vom Getriebe, drin ist er.
Gerhard Nöhrer