Die Geschichte von Opel ist geprägt von Sternstunden und düsteren Tagen. Jetzt muss man sich, so scheint's, aber wieder einmal Sorgen um den ehemals größten europäischen Autobauer machen. Von Jänner bis Dezember brachen die Verkäufe im Vergleich zu 2019 um mehr als ein Drittel ein, zusammen mit der britischen Schwestermarke Vauxhall verkaufte man weltweit nur noch 632.687 Fahrzeuge.
In Österreich waren die Rückgänge noch wuchtiger, da musste gar ein Minus von 43 Prozent vermeldet werden. Eine dramatische Entwicklung für den leidgeprüften Hersteller, der nach Jahrzehnten der Not unter der Knechtschaft von General Motors zuletzt unter neuer Flagge Hoffnung geschöpft hatte.
Schließlich gelang Opel nach der Übernahme 2017 durch die PSA-Gruppe binnen eines Jahres das, was der amerikanische Vorbesitzer über 20 Jahre nicht schaffte: Opel schrieb schwarze Zahlen. Die Wunderheilung trug die Handschrift von PSA-Chef Carlos Tavares. Der knallharte Sanierer hatte der ehrwürdigen Marke mit dem Blitz im Logo einen brutalen Sparkurs verordnet, tausende Jobs gestrichen, Werke geschrumpft und die Produktpalette ausgedünnt.
Den verheerenden Absatzeinbruch im ersten Corona-Jahr begründet Opel in erster Linie mit der Umstrukturierung des Angebots. Fakt ist, dass einige Modelle, die noch unter der Ägide von General Motors aufgelegt worden waren, aus dem Programm genommen wurden. Doch die ausgeblutete Palette und die mangelnde Begehrlichkeit am Markt sind nicht die einzigen Sorgen, die derzeit die Belegschaft aus Rüsselsheim drücken.
Vielmehr verstärkt sich die Skepsis der Deutschen gegenüber der vor wenigen Tagen vollzogenen Hochzeit des Mutterkonzerns Peugeot-Citroen (PSA) mit Fiat-Chrysler (FCA), die für Opel durchaus weitgehende Konsequenzen haben könnte. In Deutschland wird befürchtet, dass Opel im neuen 14-Marken-Koloss namens "Stellantis“, der über 400.000 Menschen beschäftigt und 170 Milliarden Euro umsetzt, zu einem Nebendarsteller verkommen könnte. Und im Zuge der Hebung von Synergieeffekten alles, was Opel einst ausmachte, endgültig zu Grabe getragen wird.
Die Sorgen sind freilich nicht unbegründet. Der vor zwei Jahren begründete Claim "New Germaness“ ist Makulatur, Opel wird immer mehr zum unselbstständigen Hütchenbauer, der auf französischen Plattformen steht. Besonders in die Knochen gefahren ist den Opelanern die Zerschlagung des angesehenen Entwicklungszentrums in Rüsselsheim, das zu einem Teil an den französischen Dienstleister Segula verscherbelt wurde. Das ITEZ war und ist Herzstück und letzte Asset von Opel. Jetzt besteht die Gefahr, dass Fiat das Rennen um das Kompetenzzentrum macht.
Wesentlich unaufgeregter kommentiert Opel-Chef Michael Lohscheller die Entwicklung. Der frühere Finanzvorstand und passionierte Marathonläufer sieht Opel in einer guten Position. Mit überarbeiteter Corporate Identity machen sich die Rüsselsheimer bereit für 2021, der legendäre Blitz im Opel-Logo strahlt nun auf zitronengelbem Hintergrund und steht für eine neue Ära.
Die Zukunft von Opel ist elektrisch. Bis 2024 möchte Lohscheller das komplette Portfolio an die Dose bringen. Zusätzlich soll die neue Designsprache wieder Lust auf Opel machen. Vom kürzlich vorgestellten Mokka-e erwartet man sich einen Imageschub, der neue Astra muss dann das Geschäft auf Drehzahl bringen.
Dazu soll man künftig das dürfen, was unter der Regie von General Motors tabu war – Opel geht global. Bis 2022 will man in mehr als 20 neuen Märkten starten. Noch heuer soll es ein Comeback in Japan geben, auch China hätte man auf dem Speiseplan. Auf den asiatischen Zukunftsmärkten ist Stellantis schlecht aufgestellt: Es wäre eine Überlebensstrategie für Opel.
Von Gerhard Nöhrer