Der Vergleich sitzt. „Wasserstoff ist wie Käse“, sagt Toyota-Vordenker Katsuhiko Hirose im Videointerview mit der Kleinen Zeitung. Aha, hmmm? Der Japaner, der im Toyota-Team an der ersten Hybrid-Entwicklung mitarbeitete, ist Atomphysiker und bei Toyotas Wasserstoffprojekt wieder an Bord. Als Berater.
Er lächelt, bevor er weiterredet. „Ich bekomme im Sommer viel Milch von meinen Kühen. Das kann ich ja nicht alles trinken. Also muss ich Käse machen. Das Gleiche ist beim Wasserstoff: Ich werde genug erneuerbare Energie haben, die ich nicht nutzen kann – also werde ich die Energie im Wasserstoff speichern.“ Zugleich gibt er zu: „Wasserstoff ist vielleicht nicht der beste Energieträger im Moment, aber wenn man dekarbonisieren will, dann braucht man Wasserstoff.“
Auch um den Wertkreislauf im eigenen Land zu halten, der mit der Batterieproduktion, die bis auf Chinesen und Koreaner alle verschlafen haben, Milliarden abfließen lässt. „Vor zwei, drei Jahren“, sagt er, habe es noch schwierig ausgesehen. „Aber jetzt sind wir auf einem guten Weg.“ Internationale Konkurrenz beschleunige die Entwicklung, und bei Toyota redet man bereits von einer Wasserstoffgesellschaft.
Was macht Japan anders, Herr Killmann?
Der Mann, der das in der ersten Reihe beim Thema Auto umsetzen soll, ist ein Österreicher: Motorenexperte Gerald Killmann – das nächste Videogespräch, bitte.
Herr Killmann - während man in Europa noch diskutiert, baut Japan schon seine Wasserstoffgesellschaft auf. Was macht Japan anders?
GERALD KILLMANN: Man hat das früh politisch erkannt, Autoproduzenten und Energieunternehmen eingebunden und einen Plan aufgestellt: 2020 soll es 160 Tankstellen, 2025 320 und 2030 gleich 900 Wasserstoff-Tankstellen geben. Die Autoindustrie muss 2020 40.000 Autos, 2025 200.000 und 2030 800.000 Autos bereitstellen. Das war ein Abkommen vor ein paar Jahren, und weil alle wissen, dass mit diesen Vorgaben ein Businesscase gegeben ist, machen alle mit. Die Behörden bereiten außerdem keine Schwierigkeiten, wenn es um Genehmigungen etwa für Tankstellen geht.
Den Hybrid hat Toyota alleine salonfähig gemacht. Beim Wasserstoff setzt man auf Kooperationen.
KILLMANN: Ja, man hat Patente offengelegt und der Zugang zu Patenten ist frei. Das kam nicht von Japans Regierung, der Vorschlag kam von Toyota. Man muss wissen, weshalb: Es hat lange gedauert, bis der Markt etwa in Europa den Hybrid akzeptiert hat. Technologisch haben wir das mit Fahrzeug-Optimierungen selber stemmen können, beim Wasserstoff geht das nicht. Wenn wir die Einzigen sind, dann ist das viel schwieriger, das war die Überlegung. Wir dürfen nicht Hemmschuh sein, es geht ja auch um Umweltschutz. Den Technologiewettbewerb treiben wir aber intern wie extern voran. Wir gehen Kooperationen ein. Bei Bus- genauso wie bei Marineprojekten. Wir haben etwa ein Boot für Weltumsegelungen. Es hat Solarzellen, mit denen Energie gewonnen und so Wasserstoff aus Seewasser gemacht wird.
VW geht den Batterieweg, Toyota setzt auf Wasserstoff. Welche Wette geht auf?
KILLMANN: Es ist industrieweit und politisch anerkannt, dass Wasserstoff die Methode ist, um erneuerbare Energie zu speichern. Wir bauen auch eine Pilotstadt, wo die Leute in neuen Häusern wohnen, leben und arbeiten werden, wo Wasserstoff das zentrale Thema ist. Die Fragen, die wir beantworten wollen: Akzeptieren die Leute das alles? Wollen sie so leben?
Noch ist Wasserstoff unverhältnismäßig teuer.
KILLMANN: Derzeit schon. Aber ich kann Ihnen vom Hybrid etwas verraten: Bei der ersten Generation haben wir draufgezahlt, bei der zweiten die Kosten halbiert. Bei der dritten war es ein Drittel, bei der vierten Generation ein Viertel der Kosten. Ähnliches können wir uns auch beim Wasserstoff vorstellen.
Das könnte länger dauern.
KILLMANN: Bei unserem Prototyp des Wasserstoffautos Mirai haben wir bis zur ersten Fahrzeuggeneration eine Kostenreduktion von 95 Prozent herausgeholt, mit Technologieverbesserung und Leistungssteigerung. Jetzt kostet ein Kilogramm Wasserstoff aus erneuerbarer Energie etwa sechs Euro und reicht für etwa 100 Kilometer Fahrtstrecke. An der Tankstelle kostet ein Kilogramm dann etwa zehn Euro. Die Prognose ist, dass wir in Europa den Preis um 40 bis 60 Prozent reduzieren können. Ziel sind 2,6 Euro für ein Kilogramm Wasserstoff aus erneuerbarer Energie 2030. Wenn der Preis dann auch so umgesetzt wird, denn die Politik macht die Steuern.
Aber es fehlt an erneuerbarer Energie für große Wasserstoff-Produktionen.
KILLMANN: Im Winter braucht man die Energie, im Sommer wird sie produziert – die saisonale Speicherung wird zunehmend wichtig, dafür ist der Wasserstoff da. Es wird auf der Elektrolyse-Seite ganz gut gearbeitet, da stehen wir auch vor großen Fortschritten. Es muss eine Wende in allen Fällen geben. Nicht nur auf der automobilen, auch auf der Industrieseite.
Wie lange wird es dauern, bis Wasserstoff/Brennstoffzellen zum Straßenbild gehören?
KILLMANN: Wasserstoff und Brennstoffzelle werden schon vor 2030 stark kommen.
Didi Hubmann