Tatsachen muss man ins Auge sehen. Walter Röhrl hat ein schlechtes Gewissen. Er ist in seinen 70ern, topfit. Im heimischen Radlkeller hängen über ein Dutzend Räder, vom knapp sechs Kilogramm leichten Straßenrennrad, mit dem er gleich bei der Tour de France mitfahren könnte, bis zum fett bereiften Mountainbike. In den besten Jahren, erzählt er, ist er um die 10.000 Kilometer jährlich gefahren, mit Legenden wie Eddy Merckx, der als Seriensieger bei der Tour de France in die Geschichte einging. Unsereins steht ein wenig verdrossen neben ihm. In den 50ern. Absolut nicht topfit. Null Radlkilometer auf dem Buckel und aus ästhetischen Gründen neben Walters professionellem Setting nicht abbildbar. Walter, warum hast du ein schlechtes Gewissen und nicht ich?
„Wenn ich elektrisch rauffahre, dann denke ich mir, ich habe keine Leistung gebracht. Wobei das Ganze faszinierend ist, was diese E-Bikes können. Auf dem Radsektor ist das eine Revolution, was da mit dem E-Bike geschafft worden ist. Das macht das Fahrrad endgültig zum ernst zu nehmenden Verkehrsmittel. Und das E-Mountainbike steht für die Ausweitung des Sporthorizonts, das ist enorm.“ Klar, und wenn’s zu wenig in den Wadln brennt, sich das auf das Gewissen schlägt, dann hat man immer noch die Option, so lange zu fahren, bis der Akku aus ist. Wegen dem Brennen und so.
Wir haben so berühmte Wege wie die Zipflwiesstraße im Bayerischen Wald links liegen gelassen und sind auf Walters Haus-Hügel. Porsche-Gallionsfigur Walter gibt mit seinem Porsche-Hightech-Mountainbike das Tempo vor. Er ist so nett, mich nicht überzubeanspruchen. Oben tummeln sich Ausflügler, Walter ist die Attraktion bei den Jungen. Und bei den Älteren natürlich. Viele sprechen ihn an. Kein Weltstar, der Rallyeweltmeister war, zum besten Autofahrer des Jahrhunderts gewählt wurde und heute noch Zeiten der jungen Testfahrer bügelt, ist so authentisch wie er.
Technikgetrieben
Seine Liebe zum Radfahren sei immer auch technikgetrieben gewesen. Wie sich das Rad weiterentwickelt habe, bis zu den voll gefederten Rädern. „Was das an Komfort und Sicherheit gebracht hat! Früher bist du Gefahr gelaufen, dass dich das Rad wie ein störrisches Pferd abwirft. Da fährst du jetzt komfortabel drüber. Und mit jedem Entwicklungsschub hast du außerdem gedacht, der Berg wird ein bissl flacher.“
Aber klar, Sauhund, schlechtes Gewissen, du kannst den Walter aus dem Rennfahrer Röhrl holen, aber nicht den Rennfahrer aus dem Walter. „Den inneren Sauhund überwinden: Du denkst dir immer wieder, du Idiot, warum machst du das? Aber wenn du dann oben bist, dann hast du ein Hochgefühl, das mich immer fasziniert hat. Du merkst, wie du deinen Körper schärfen kannst.“ Auch in Sachen Fahrtechnik: „Ein Rennrad ist ja das unmöglichste Fahrgerät, das es gibt. Du sitzt mit einem sehr hohen Schwerpunkt, einen Meter fünfzig, über der Straße, auf extrem dünnen Reifen. Das ist ein Wahnsinn und Faszination zugleich.“
Walters Kurven-Linie bleibt auch beim Radeln unerreicht. Viele versuchten, ihm zu folgen, viele scheiterten, einer blieb dabei im elektrischen Zaun hängen, was im Freundeskreis heute immer noch mit Schmunzeln erzählt wird, weil es ihn „alle zehn Sekunden gerissen“ hat. Passiert ist dem Guten aber nichts.
Auch bei uns geht’s jetzt wieder bergab, wir reden über Walters Mobilitätszugang. Das Ende des Verbrennungsmotors sei nicht erreicht, synthetische Kraftstoffe seien ein großes Thema. „Wenn man von Umweltschutz spricht“, so Röhrl, „muss man es gleich richtig machen. Das Rad hat 100 Prozent, da gibt es nix anderes, jetzt auch noch mit der Elektrifizierung. Innerstädtisch ist es das wahre Gerät“, lacht er.
„Schau dir dieses Porsche-Mountainbike an: Hightech bis in die letzte Schraube. Das hat seinen Preis. Ich bin schon gespannt, wie sie die nächste Generation, an der sie gerade arbeiten, weiterentwickeln.“ Kurzer Nachsatz: „Meine Freiheit beim Autofahren, die gebe ich aber nicht mehr auf.“
Didi Hubmann