Vor ziemlich genau 60 Jahren ließen die kühlen Pragmatiker von Volvo einen Entwurf in Serie gehen, den ihnen niemand zugetraut hätte. Das dreitürige Sportcoupé P1800 wurde von der italienischen Designschmiede Frua eingekleidet, wo der schwedische Nachwuchsdesigner Pelle Petterson den Zeichenstift schwang und die zeitgeistigen Heckflossen erschuf, die vom damals beginnenden Raketenzeitalter kündeten. Mit dem 2+2 wollte auch Volvo buchstäblich abheben – es sollte quasi eine Trägerrakete für die vernunftbetonte Marke sein, um neue Märkte wie Asien, aber vor allem Nordamerika zu erschließen.
Das Design stammte also aus Italien und auch die Produktion gestaltete sich anfangs höchst international: Die Blechteile für die Karosserie wurden in Schottland gepresst und ab 1961 beim englischen Sportwagenspezialisten Jensen Motors montiert.
Kenner der Materie wird es nicht verwundern, dass eine Kooperation nicht von Erfolg gekrönt sein kann, bei der 1000-prozentige Schweden auf eher nach Augenmaß arbeitende Briten treffen. Jedenfalls zog Volvo die ersten 250 Exemplare des P1800 wegen mangelnder Qualität gleich einmal zur gründlichen Nachbesserung in die eigenen Werkshallen in Göteborg ein. 1963 zog man endgültige die Reißleine und siedelte die Fertigung ins schwedische Lundby um.
Nein, wenn es um die Qualität geht, verstehen die Schweden keinen Spaß. Und noch weniger beim Thema Sicherheit: Das Sportcoupé brachte als erstes seiner Zunft serienmäßig Sicherheitsgurte für alle vier Passagiere mit. Um die Stabilität des Rückhaltesystems zu demonstrieren, baumelte 1961 ein P1800 an einem Kran über der Hamburger Hafenanlage. Gehalten alleine von den Gurten.
Spektakuläres Aussehen ist von jeher eine gute Voraussetzung für eine Karriere vor der Kamera. Und so heuerte der Volvo als Dienstwagen von Simon Templar in der englischen TV-Krimiserie „The Saint“ an, verkörpert James-Bond-Darsteller Roger Moore. Der war sichtlich begeistert von seinem Co-Star – und wahrscheinlich insgeheim froh über die unbritische Verarbeitungsqualität –, dass er auch privat einen polarweißen P1800 S fuhr. Das S stand dabei übrigens nicht für Sport, sondern für „Sverige“ (Schweden).
Denn Volvo erarbeite sich auch unter den Breitensportlern den Ruf absoluter Unverwüstlichkeit: Unterbau für die exaltierte Karosserie war die solide Technik der schussfesten Limousine P 121, besser bekannt unter ihrem Spitznamen „Amazon“. Zunächst trieb deren 1,8-Liter-Vierzylinder mit 90 PS das Coupé an, ab 1968 war es dann ein 2-Liter-Benziner.
Ein rotes Coupé schaffte es wegen seiner unverbrüchlichen Zuverlässigkeit sogar ins Guinness-Buch der Rekorde: Der US-Amerikaner Irv Gordon hatte seinen P1800 1966 neu gekauft und bis 2013 unfassbare 4,8 Millionen Kilometer zurückgelegt – mit dem ersten Motor und keinen außergewöhnlichen Reparaturen an Getriebe oder Achsen. Bis 2018 soll er den Wagen täglich gefahren sein – bevor sie der Tod bei einem Kilometerstand von 5,2 Millionen schied. Das Schicksal der Produktion des P1800 war 1972 besiegelt: nach 39.778 Exemplaren.