Es staut sich, überall, weltweit. Speziell in den großen Metropolen geht zunehmend nichts mehr. Die fortschreitende Urbanisierung hat die Mobilität in den Städten längst an ihre Grenzen gebracht, der tägliche Verkehrskollaps ist zur Normalität geworden. Dabei ziehen immer mehr Menschen in die Städte. 2050 sollen rund zwei Drittel der Weltbevölkerung in den Megacitys leben. Der Autoverkehr wird sich laut Studie bis dahin verdreifachen. Ein Horrorszenario.
Die Verkehrslawine und der Smog sind ein Thema der Stunde - für die Stadtverantwortlichen ebenso wie für die Hersteller und die zahlreichen Mobility-Dienstleister, die das große Geschäft wittern. Die Frage wird sein, wie die Versäumnisse der Vergangenheit noch zu reparieren sind. Das Elektroauto kann zwar die Luft besser machen, aber keineswegs das Verkehrschaos verringern. Das gilt ebenso für das selbstfahrende Auto. Die Mobilitätspiraten Uber, Lyft & Co. lösen das Problem auch nicht - im Gegenteil: Sie haben zuletzt den Stau weltweit dramatisch verschlimmert. Und die Lufttaxis werden, sofern sie kommen, das Kraut wohl auch nicht fett machen.
Die Schlagwörter der Verkehrsplaner und Vordenker heißen Smart Mobility und Smart City. Sie stehen für eine neue Art der Stadtentwicklung und einen energieeffizienten, komfortablen und kostengünstigen Mobilitätsmix. Durch künstliche Intelligenz und Digitalisierung soll es möglich werden, per Algorithmus passgenaue Prognosen zu erstellen und in der Folge optimale Abläufe in einer Stadt zu gestalten. Stichworte: intelligentes Parken, Smart Grids oder adaptive Signalsteuerung.
Gebühren als Bremse
Eine Reihe von Stadtverantwortlichen ist dabei, das Problem mit dem überbordenden Verkehr ganz pragmatisch zu lösen. Und zwar mit zum Teil hohen Maut- bzw. Staugebühren, die Stadtfahrten verleiden sollen und in weiterer Folge durch ein schrittweises Aussperren des Individualverkehrs. Fahnenträger dabei sind London und Paris, wo man Verkehr und Luftverschmutzung konsequent den Kampf angesagt hat. Anne Hidalgo, die Bürgermeisterin von Paris, will mittelfristig das Zentrum der französischen Metropole in eine Fußgängerzone umwandeln. An Sonntagen gibt es bereits autofreie Boulevards und Bezirke. Dieselautos müssen bis 2024 hinaus, Verbrenner bis 2030. Londons Bürgermeister Sadiq Khan forciert die E-Mobilität und Fahrräder.
Tageweise Fahrverbote
Peking, die Welthauptstadt des Staus, reguliert: Tageweise ist bereits jedes Auto von Fahrverboten betroffen. New York führt 2021 als erste Stadt der USA eine Mautgebühr ein, der Times Square ist längst autofrei. Im Zentrum von Madrid gibt es Fahrverbote für ältere Diesel und Benziner, in Oslo nimmt man Autofahrern radikal die Parkplätze weg, Stuttgart ist seit April komplett für ältere Dieselautos gesperrt. Den Wienern bleiben Citymaut und Fahrverbote vorerst erspart.
Als Vorbild gilt Kopenhagen, wo bereits 75 Prozent der Menschen das Rad oder den öffentlichen Nahverkehr nutzen. Und dann gibt es noch das spanische Städtchen Pontevedra, das komplett vom Verkehr befreit ist. Kein Wunder, dass Stadtplaner aus aller Welt gerne in die Oase am Jakobsweg pilgern.
Gerhard Nöhrer