Proponenten des autonomen Verkehrs gehen vielfach davon aus, dass eine hohe Anzahl selbstfahrender Autos die Verkehrseffizienz erhöht. Einer Simulation von Wiener Forschern und Kollegen aus Großbritannien zufolge bringt die Entwicklung jedoch deutlich mehr zurückgelegte Kilometer pro Person und eine geringere Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel mit sich, wenn nicht regulierend eingegriffen wird.

An ihrem Modell zur Simulation des Verkehrs und der Landnutzung arbeiten die Wissenschafter um Günter Emberger vom Institut für Verkehrswissenschaften der Technischen Universität bereits seit mehr als 15 Jahren, wie Emberger im Gespräch mit der APA erklärte. Es eigne sich zur Vorab-Beurteilung neuer Verkehrsmaßnahmen, wie etwa dem großflächigen Einsatz von selbstfahrenden Autos, der laut der Meinung vieler Experten in den kommenden Jahrzehnten bevorsteht. Auch Emberger schätzt, dass in den 2030er-Jahren die Anzahl der autonomen Fahrzeuge jene der von Menschen gelenkten Fahrzeugen überschreiten wird.

Neben vielen Vorteilen durch diese Entwicklung, wie der erwarteten Erhöhung der Kapazität der Straßen oder der Verringerung der Wahrscheinlichkeit für Staus, gebe es aber auch mögliche negative Konsequenzen zu bedenken. Muss man tatsächlich nicht mehr Hand ans Steuer legen, würde der Autoverkehr auch für Menschen geöffnet, die bisher nicht eigenständig teilnehmen konnten: also etwa für Kinder und alle anderen Menschen ohne Führerschein. Gleichzeitig könne die Attraktivität der öffentlichen Verkehrsmittel abnehmen.

Die Autonutzung werde wiederum attraktiver, da man sich bis zum Ziel fahren lassen wird können, ohne sich zeitaufwendig um einen Parkplatz bemühen zu müssen. Den würde sich das Fahrzeug entweder selbstständig suchen oder einfach um den Bestimmungsort zu kreisen beginnen. Das Auto könnte auch leer wieder die Heimfahrt antreten, um beim Abholen wieder die gleiche Strecke in Angriff zu nehmen. Selbstfahrende Autos könnten auch dem Pendeln über weite Distanzen den Schrecken nehmen, was eine weitere Zersiedelung zur Folge haben könnte, geben die Forscher zu bedenken.

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In die Simulation, die die Wissenschafter der TU Wien zusammen mit Kollegen der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien und der Universität Leeds (Großbritannien) durchgeführt haben, flossen u.a. Daten zur Verfügbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel, zu den Kosten privater Parkplätze oder den prognostizierten Anschaffungskosten selbstfahrender Autos ein. Für die Stadt Leeds ergibt sich eine Zunahme der pro Person zurückgelegten Kilometer von 30 bis 40 Prozent. "Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sowie die zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegten Strecken gehen hingegen um fünf bis 20 Prozent zurück", so Emberger.

Beim Aufsetzen dieser neuen Verkehrswelt müsse man sich daher "grundlegend überlegen, wie man damit umgeht. Hier fehlt es einfach an Forschung. Wenn etwa das Parken etwas kostet, kann es sein, dass es billiger ist, wenn das Auto zwei Stunden kreist", sagte Emberger. Solche drohenden Fehlentwicklungen sollte man daher unbedingt analysieren, um sie abzufangen. Vieles hänge davon ab, ob zukünftig Privatpersonen ihre eigenen selbstfahrenden Autos haben werden, oder ob ein System gemeinschaftlich genutzter autonomer Fahrzeuge entsteht. Werden die Autos geteilt, sind laut den Analysen die negativen Auswirkungen geringer.

Ende des Jahres sollen auch die Simulations-Ergebnisse für die Stadt Wien vorliegen. Neben der Tatsache, dass Wien mit seinen annähernd zwei Millionen Einwohnern deutlich größer ist als Leeds mit rund 600.000 Einwohnern, verfügt die Bundeshauptstadt über ein gut ausgebautes U-Bahn- und Straßenbahnnetz. Die bisherigen Daten für Wien sehen allerdings trotzdem "ähnlich aus" wie in der nordenglischen Großstadt, in der der öffentliche Verkehr vor allem mit Bussen abgewickelt wird, sagte der Experte.

Mit ihrem Forschungsansatz möchten Emberger und Kollegen die aktuell "sehr industriegetriebene" Diskussion um die neue Technologie um die legistische Komponente erweitern. Mit einem internationalen Workshop in Wien im September hat man einen ersten Vorstoß in die Richtung gemacht, es gebe auch bereits aus China und Indien Interesse an der Forschung, betonte Emberger.

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