Gerade zur Reisezeit ist "Müdigkeit am Steuer" ein großes Thema. "Das Hauptproblem ist in erster Linie, dass viele Lenker ihre eigenen 'Durchhaltefähigkeiten' überschätzen und körperliche Müdigkeitswarnungen verdrängen", weiß ÖAMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger. "Dabei ist das Einschlafen am Steuer nur die Spitze des Eisbergs, müdigkeitsbedingte Leistungseinbußen während des Lenkens machen sich bereits lange vor dem wirklichen Einschlafen bemerkbar."
Lange Urlaubsfahrten werden oft entgegen der inneren Uhr angetreten. "Zwischen zwei und fünf Uhr morgens sowie am Nachmittag gegen 14 Uhr befindet sich der Mensch in einem biologischen Tief", erläutert Seidenberger. "Die Fahrt durch die Nacht oder in den frühen Morgenstunden, besonders auf monotonen Strecken, geht daher im Zweifelsfall auf Kosten der Sicherheit."
Aber auch außerhalb dieser Zeiten können Autofahrer unter Müdigkeit leiden, vor allem dann, wenn sie vor Fahrtantritt nicht ausreichend geschlafen haben, generell an Schlafstörungen leiden, sie lange unter hoher Dauerbeanspruchung stehen, eine Medikamenteneinnahme sich negativ auswirkt, sie Drogen genommen haben oder eine Erkrankung ihre Schlafqualität und -dauer beeinträchtigt. "Auch junge Verkehrsteilnehmer, die intensive Smartphonenutzer sind oder viel Zeit in sozialen Netzwerken oder bei Computerspielen verbringen, rauben sich oft mehr als ein bis zwei Stunden ihrer wertvollen 'Schlafregenerationszeit'", weiß Seidenberger.
Die ÖAMTC-Expertin rät Autofahrern, sich selbst genau zu beobachten, sensibel zu sein und beim Wahrnehmen von "Müdigkeitsvorboten", diese keinesfalls zu missachten und zu "Placebos", wie zum Beispiel lautes Radio, geöffnete Fenster, oder koffeinhaltigen Getränken zu greifen, sondern wirkungsvolle Maßnahmen zu setzen. Akute Warnzeichen sind häufiges Gähnen, plötzliches Frösteln, ein starkes Bewegungsbedürfnis, ein dauerndes Verändern der Sitzposition, Verspanntheit besonders im Nacken- und Schulterbereich, die Entwicklung eines starren Blickverhaltens und Ansteigen der "Blinzelfrequenz".
Auch ein Stimmungstief kann ein Hinweis sein. "Wer Schwierigkeiten hat, die Spur zu halten, grundlos ruppige Fahrmanöver durchführt, mit den Gedanken oft 'abdriftet' oder das Gefühl hat, die Straße würde sich verengen, sollte unbedingt die nächste Ausfahrt ansteuern, um eine Pause einzulegen", warnt die Verkehrspsychologin. Bereits ein Kurzschlaf von etwa 20 Minuten in Verbindung mit einem Kaffee kann verhindern, dass man als Lenker übermüdet. Der Energieschub wirkt sich positiv auf Leistung und Stimmung aus und verbessert die Reaktionszeit. "Das stellt keinesfalls eine Dauerlösung dar; der Kurzschlaf kann eine ordentliche Regenerierung, die nur eine mehrstündige Schlafpause bringt, nicht ersetzen", ergänzt Seidenberger.