Karl-Thomas Neumann ist der Mann, der bei Opel die Wende eingeleitet und den deutschen Traditionshersteller nach leidvollen Jahren wieder in die Spur gebracht hat. Und doch plagten den Opel-Chef zum Jahreswechsel Zweifel, ob die Mission gelingen würde. Der Elite-Techniker, der die europäische GM-Tochter in seinem vierten Jahr an der Spitze von Opel auch zurück in die schwarzen Zahlen steuern wollte, scheiterte tatsächlich kurz vor dem Zieleinlauf.
Der marathongestählte Topmanager war erst auf den letzten Metern gestoppt worden. Hatte Neumann die Marke mit dem Blitz im Logo im Vorjahr zwischendurch schon einmal in die Gewinnzone gedreht, machten ihm letztlich das Brexit-Votum auf dem wichtigsten Einzelmarkt und der Absturz des britischen Pfunds einen Strich durch die Rechnung. So schreibt Opel 2016 europaweit noch einen operativen Verlust von 257 Millionen Dollar - nach 813 Millionen im Jahr zuvor.
Damit ist also nichts aus dem angepeilten ersten Jahresgewinn seit 1999 geworden, trotz einem Plus von vier Prozent beim Absatz. Mit 1,16 Millionen Stück haben die Rüsselsheimer im vergangenen Jahr gemeinsam mit ihrer britischen Schwestermarke Vauxhall so viele Fahrzeuge verkauft wie seit 2011 nicht mehr. In 18 von 22 Einzelmärkten legte Opel zu. Neumann sieht die Entwicklung deshalb positiv. ,,Wir haben 2016 viel erreicht und Fortschritte gemacht. Der Kurs stimmt, und wir werden weiterlaufen, bis ins Ziel“, so Neumann, der zuversichtlich nach vorn blickt: ,,2017 ist das Opel-Jahr, weil wir gleich sieben neue und für uns wichtige Autos auf den Markt bringen.“
Wobei man in Rüsselsheim überhaupt von der größten Produktoffensive in der Geschichte des hessischen Autobauers spricht. Besonders mit den neuen SUV-Modellen Crossland X (Juni) und Grandland X (Herbst) will Opel überraschen und punkten. Neumann: ,,Mit den beiden Modellen haben wir auf die Kritik, den SUV-Boom verschlafen zu haben, reagiert.“ Den Reigen wird schon in den nächsten Wochen der Opel Karl Rocks eröffnen, danach ist die Neuauflage des Flaggschiffs Insignia dran. Die Limousine Grand Sport hat den Vortritt, später folgen der Kombi Sports Tourer und der höhergestellte Country Tourer.
Der ganze Stolz der Opel-Mannschaft ist jedoch der neue Ampera-e, der im Frühjahr auf einigen ausgesuchten Märkten wie Deutschland, Frankreich oder der Schweiz loslegen wird, bei uns allerdings wohl erst Anfang 2018 zu kaufen sein dürfte. Das kompakte Elektroauto soll in Sachen Reichweite neue Maßstäbe setzen und bis zu 500 Kilometer weit rein elektrisch unterwegs sein, ehe es wieder an die Dose muss. Neumann: ,,Wir haben extrem positive Reaktionen auf das Auto. In Norwegen gab es Tausende Vorbestellungen, bevor wir die Preise bekannt gegeben hatten.“
In Sachen Elektromobilität sieht sich Neumann zum Erfolg verdammt. ,,Das CO2-Ziel von 95 Gramm ab 2020 ist ohne einen signifikanten Anteil von Elektroautos von keinem Hersteller zu erreichen. Und das umso mehr, weil niemand weiß, ob der Diesel weiter Marktanteile verliert.“ Den Durchbruch sieht Neumann noch nicht. ,,Bis 2020 wird es langsam gehen, aber in den zehn Jahren danach werden wir mehr Elektroautos als Verbrenner auf der Straße haben.“
Gerhard Nöhrer